Einig im Irrtum
Katja Herzberg über falsch verstandene Demokratie in der EU
Fast alle wollten ihn, nun bekommen sie ihn auch: Jean-Claude Juncker wird neuer EU-Kommissionspräsident. Die Staats- und Regierungschefs haben ihn zu ihrem Kandidaten bestimmt. Das Parlament hatte sich bereits vor Wochen auf ihn festgelegt und seine Nominierung gefordert. Juncker braucht nun nur noch bei der Wahl am 16. Juli im Parlament zu erscheinen. Lediglich David Cameron, Viktor Orbán, ein paar Europaabgeordnete aus dem linken wie rechten Lager und einige EU-Bürger wird das grämen. Die Machtbesitzenden sind sich nach wochenlangem Gezerre einig geworden, aber - und das ist der eigentliche Grund zur Sorge - nur in ihrem Irrtum, als Sieger daraus hervorgegangen zu sein.
Denn das Parlament hat keinesfalls einen Sieg der Demokratie errungen, sondern einen, den kein Mensch braucht. Weder steht Juncker für einen Neuanfang, noch lassen die Mehrheitsverhältnisse im neuen EU-Parlament auf progressive Impulse hoffen. Mehr Einfluss hat es im Übrigen auch nicht, nur weil es Juncker durchsetzen half. Der wird die Unterstützung schon bald vergessen haben.
Die Macht in der EU liegt weiterhin beim Rat, auch wenn dessen Ansehen erneut gelitten hat. Schlimmer noch: Der »Brexit« ist wieder ein Stück näher gerückt.
Für die Zukunft der EU verheißt dieser Auftakt einer neuen Legislaturperiode nichts Gutes. Die Menschen, die diese EU schon jetzt satt haben, können sich bestätigt fühlen. Die Frage bleibt, wie viele von ihnen in den nächsten Jahren einig für ein anderes Europa streiten werden.
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