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Die zweite Wahrheit der »Albiceleste«

Argentinien nach 24 Jahren wieder im WM-Halbfinale

  • Frank Hellmann, Brasilia
  • Lesedauer: 2 Min.
Der Halbfinaleinzug versetzt Argentiniens Minimalisten in einen Freudentaumel, doch gegen die Niederlande sollte die »Albiceleste« mehr bieten als beim 1:0 gegen Belgien.

Immerhin hat das Lionel Messi noch nicht geschafft. Der Platz ganz vorne rechts im hellblauweiß lackierten Mannschaftsbus der argentinischen Auswahl gehört noch immer dem Trainer. Und Alejandro Sabella hatte sich beeilt, diesen Platz einzunehmen. Dann nahm der Fußballlehrer aus Buenos Aires seine Lesebrille und stöberte nach dem 1:0 gegen Belgien in seinen Aufzeichnungen. Während seine Landsleute den fünften Sieg mit einem Tor Unterschied im fünften Spiel feierten, vertiefte sich Sabella in die Vorbereitung für den sechsten Auftritt am Mittwoch im Halbfinale gegen die Niederlande.

»Wir wollen noch zwei Spiele machen, um uns einen Traum zu erfüllen«, so Torschütze Gonzalo Higuain (8. Minute), aber dafür dürfte ein so minimalistischer Auftritt wie in Brasilia nicht ausreichen. Belgiens Abwehrrecke Daniel van Buyten meinte: »Die Argentinier sind gut organisiert, aber die Niederländer sind besser.« Auch Belgiens Nationaltrainer Marc Wilmots urteilte: »Die Argentinier sind ein ganz gewöhnliches Team mit einem außergewöhnlichen Spieler.« Starker Tobak.

Aber hinter diesem Viertelfinale verbirgt sich eine zweite Wahrheit. Nämlich die, dass die »Albiceleste« unter dem unterschätzten Trainer Sabella sehr wohl einen Fortschritt gemacht hat. Im Vergleich zu 2006 und 2010 zumindest, als jeweils eine deutsche Elf das Stoppschild aufstellte. Warum sonst hätte Javier Mascherano sich mit dem Schlusspfiff auf die Knie fallen lassen und die Fäuste geballt - der 30-Jährige hatte zweimal am eigenen Leib erlebt, wie seine Auswahl in diesem Turnierstadium scheiterte.

Der heimliche Anführer hat Sabellas Strategie stark befürwortet, mit der Hereinnahme des zweiten Abfangjägers Lucas Biglia die hoch gehandelten Belgier vom eigenen Tor fernzuhalten. Der laufstarke Legionär von Lazio Rom schaffte es an Mascheranos Seite, die Reihen fast immer zu schließen. Damit legten die Argentinier jenen Kardinalfehler von vor vier Jahren ab, als unter dem clownesken Diego Maradona kein Gleichgewicht zwischen Defensive und Offensive bestand. »Wir besitzen wieder eine Balance. Das war ein wundervoller Auftritt«, lobte Sabella mit der Genugtuung, zum ersten Mal nach 1990 wieder ein WM-Halbfinale erreicht zu haben.

Jetzt wolle man noch mehr, doch das könnte schwierig werden: Sergio Aguero fehlte erneut, und Angel di Maria erlitt nach 33 Minuten eine Oberschenkelverletzung. Ohne di Maria wäre es viel unwahrscheinlicher, dass nach dem Halbfinale gegen die Niederländer wirklich der argentinische Marsch zum Finale ins Maracanã von Rio de Janeiro einsetzt.

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