Verzweiflung
Tom Strohschneider über die Eskalation in Nahost
Auf einen Dreifachmord folgt einer aus Rache. Auf Raketenangriffe folgen Militärschläge. Es gibt Tote und Verletzte. Wieder einmal. Hierzulande auch wieder einmal: Mahnungen und Schuldzuweisungen. Wir meinen meist ganz genau zu wissen, dass es an der Siedlungspolitik und Netanjahu liegt - oder am Terrorismus der Hamas. Die oder die. Und wer es sich auf der einen Seite bequem gemacht hat, findet auf der anderen auch leicht die Belege für empörende Einseitigkeit.
Der israelische Schriftsteller David Grossman hat am Mittwoch in einem großen Text die Hoffnung auf Frieden verteidigt - gegen die Verzweiflung. Die Verzweiflung, schreibt Grossman in der FAZ, ist ein Sieg der politischen Rechten in Israel, die viele Israelis dazu gebracht hat, ebenso zu denken: Aus Sicht der Verzweiflung ist es mindestens naiv, noch an Frieden zu glauben, eher sogar ein Verrat an Israel, weil die Hoffnung das Durchhaltevermögen schwächen könnte, indem es zu falschen Visionen ermutige.
Grossman wäre zu ergänzen: Es gilt dies ebenso für Palästina. Und so wird eine Auseinandersetzung am Leben gehalten, die hier Hunderttausende in die Luftschutzkeller und da Hunderttausende unter eine Besatzungsmacht zwingt. Eine Auseinandersetzung, die Leben kostet.
Shimon Stein, der frühere israelische Botschafter in Deutschland, hat am Mittwoch gesagt, wir würden gerade die Eskalation eines neuen Kriegs erleben, den weder Israel noch die Hamas gewollt haben. Und doch führen sie ihn. Es ist schwer, angesichts dessen nicht verzweifelt zu sein.
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