Wie Fremde gemacht werden

Laut einer Studie verbreiten Medien häufig Vorurteile gegen Sinti und Roma

  • Thomas Klatt
  • Lesedauer: 4 Min.
Sinti und Roma werden bei der Arbeitsplatzsuche, von der Polizei und in den Medien hierzulande diskriminiert. Der Zentralrat fordert nun Teilhabe an den öffentlich-rechtlichen Rundfunkräten.

»Zigeunerjunge, Zigeunerjunge«. Als Alexandra 1967 mit ihrem Schlager die deutschen Hitparaden eroberte, störte sich kaum jemand daran, dass »Zigeuner« auch als Schimpfwort verstanden werden könnte. Heute heißt es in der öffentlichen Debatte und in den Medien ethnologisch korrekter »Sinti und Roma«. Aber das Problem der Diskriminierung ist damit nicht gelöst.

Am 15. Juni 2014 meinte Günter Jauch in seiner Sendung unter dem Titel »Albtraum Einbruch« in einem höchst umstrittenen Einspiel-Film, es gebe jede Menge Roma-Gruppen, die überall einbrechen gehen. Jauchs Gäste freuten sich, dass im Fernsehen endlich die Dinge beim Namen genannt werden könnten. Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, hält das nicht für einen bedauerlichen Einzelfall. Gerade die Medien bedienten immer wieder Vorurteile, die der Überprüfung an der Realität nicht standhalten würden.

Gestützt werden diese Aussagen von der aktuellen Studie des Berliner Politologen Markus End: Antiziganismus in der deutschen Öffentlichkeit. Besonders in der Debatte zur sogenannten Armutszuwanderung würden viele Journalisten wenig Abstand zu diskriminierenden Stereotypen halten. »Ich meine, in meiner Studie nachweisen zu können, dass in der gesamten Berichterstattung der letzten zwei Jahre die Worte Roma und Armutszuwanderer nahezu austauschbar verwendet wurden. Weder sind die Geringqualifizierten alle Roma, noch sind alle Roma arm oder gering qualifiziert, noch sind alle Roma zugewandert. Doch trotzdem werden alle diese Aussagen durch die Gleichsetzung in den Medien suggeriert«, erklärte End.

Auch sollten Pressevertreter darauf achten, Polizeiberichte nicht unhinterfragt zu zitieren. Oftmals steckten gerade in den Beschreibungen der Beamten Ressentiments und rassistische Zuschreibungen. Markus End zitierte eine Polizeipressemitteilung aus dem Märkischen Kreis von 2011, in der zwei Tatverdächtige als Sinti dargestellt wurden, obwohl deren Beschreibungen gegensätzlich waren: »Beide Frauen sahen aus wie Sinti, erstens blonde glatte Haare, etwa 20-30, trug eine Hose, ihre Kleidung war hell, etwa 1,65 groß, das Gesicht war eher länglich, zweitens schwarze lockige schulterlange Haare, 35-40, dunkler Hauttyp, breites Gesicht, dunkle Kleidung.«

Politiker würden zudem bei der Debatte um die sogenannte Armutszuwanderung bewusst mit falschen Zahlen hantieren, um Stimmung zu machen. Und nur allzu oft würden die Medien das auch noch nachbeten, kritisierte etwa Christine Lüders, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. »Im Europawahlkampf war davon die Rede, dass im Jahr 2012 rund 180 000 Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien nach Deutschland gekommen seien. Diese Menschen wurden häufig pauschal als Armutszuwanderer beschrieben. Dass im Vergleichszeitraum mehr als 90 000 Menschen wieder abwanderten, weil es sich in der Mehrzahl um Studierende oder Saisonarbeitende handelte, wurde nicht berücksichtigt«, sagte Lüders. Ebenso gebe es kaum Gegendarstellungen, dass vier von fünf Zuwanderern aus Rumänien und Bulgarien in Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind. »Der Grad zwischen ›Wer betrügt, fliegt!‹ und offen rassistischer Wahlwerbung wie bei der NPD im Europawahlkampf ist schmal«, mahnte Lüders.

Diskriminierungserfahrungen gebe es auch bei der Suche nach einer Ausbildungs- oder Arbeitsstelle, und nicht nur dort, ergänzte die studierte Pädagogin: »Sinti und Roma werden nach Angaben von Nichtregierungsorganisationen überproportional oft von der Polizei kontrolliert, ohne dass dazu ein konkreter Anlass vorliegt, vor allem in Zügen und Flughäfen. Diese Praxis ist ein Verstoß gegen den Schengener Grenzkodex«, monierte Lüders.

Daneben existiere das Phänomen der positiven Diskriminierung. So gebe es bei Berichten und Filmen aus und um Sinti- und Romafamilien stark sexualisierte Frauenbilder, als seien alle Frauen dort seit Bizets Carmen besonders attraktiv und verführerisch. Da schwingen immer noch pseudoromantische Vorstellungen von ungebremster Freiheit und bürgerlich wenig geregelter Sexualität mit. Romani Rose forderte daher auch Teilhabe an den öffentlich-rechtlichen Rundfunkräten, damit solche stereotypen Darstellungen nicht mehr so leicht gesendet werden.

»Es wird ein Bild vermittelt, dass wir heute in Berlin sind, morgen in Paris und übermorgen in Amsterdam. Wir sind seit 600 Jahren hier verwurzelt und wir sind Deutsche. Wir waren mit diesem Land verbunden, so wie die jüdischen Menschen mit diesem Land verbunden waren und heute wieder sind. Nur dass man unsere Minderheit in der öffentlichen Diskussion durch Stigmatisierung ausgrenzt und ihrer Heimat beraubt und zu Fremden deklariert«, kritisierte Rose.

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