Mexikanische Polizei befreit hunderte versklavte Kinder
Bis zu 600 Kinder wurden zum Betteln gezwungen und sexuell missbraucht
Mexiko-Stadt. Bei einer Razzia in einem Armenheim in Mexiko haben die Behörden eine entsetzliche Entdeckung gemacht: In der Einrichtung mit dem Namen »La Gran Familia« (Die große Familie) hausten fast 600 Menschen, die meisten davon Kinder, unter sklavenähnlichen Bedingungen in Schmutz und Elend. Die Heimleiterin soll die Kinder gezwungen haben, betteln zu gehen, auf dem Boden zwischen Ratten und Insekten zu schlafen und sich sexuell missbrauchen zu lassen.
Die Behörden hatten das bereits seit 40 Jahren existierende Heim in der Stadt Zamora im westlichen Bundesstaat Michoacán nach eigenen Angaben am Dienstag bei der Suche nach fünf vermissten Kindern durchsuchen lassen. Tatsächlich fanden Polizei und Armee dann dort auch die fünf Kinder - und hunderte weiterer Minderjähriger und Erwachsener, die in Gefangenschaft lebten. Nach Angaben von Chefermittler Tomás Zerón de Lucio wurden insgesamt 453 Kinder und 138 Erwachsene in dem Heim festgehalten.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wurden die Heimleiterin sowie acht Mitarbeiter festgenommen. Unklar blieb zunächst, wie die Kinder und Erwachsenen in der Einrichtung gegen ihren Willen festgehalten werden konnten. Zerón machte auch keine Angaben dazu, zu welchem Zweck sie festgehalten wurden. Laut Medienberichten soll jedoch die Gründerin und Leiterin von »La Gran Familia«, Rosa del Carmen Verduzco, die treibende Kraft gewesen sein: Sie habe die Kinder gezwungen, zum Betteln auf die Straße zu gehen und sich sexuell missbrauchen zu lassen.
Unter den Kindern, die in dem Heim gefunden wurden, waren auch sechs Babys und Kleinkinder im Alter zwischen zwei Monaten und drei Jahren. Die dort entdeckten Erwachsenen sind im Alter zwischen 18 und 40 Jahren - was darauf hindeutet, dass sie möglicherweise alle in dem Heim zur Welt kamen und dieses auch nach Erreichen des Erwachsenenalters nicht verlassen durften.
Neugeborene, die in der Einrichtung zur Welt kamen, wurden nach Angaben der Ermittler als Kinder der Gründerin eingetragen. Den richtigen Eltern wurde es laut den Behörden verwehrt, ihre Kinder aufzuziehen. Zerón berichtete konkret von einem Opfer, das nach seinem 18. Geburtstag vergeblich gefordert habe, das Heim verlassen zu dürfen. Die Frau habe dann 13 weitere Jahre in »La Gran Familia« leben müssen. Die zwei Kinder, die sie in dem Heim geboren habe, habe sie nicht als ihre eigenen registrieren dürfen.
Auch die Strafverfolgungsbehörden müssen sich wegen ihres Vorgehens kritischen Fragen stellen. Den Hinweis, dass die fünf gesuchten Kinder in dem Heim festgehalten wurden, hatte die Polizei von deren Eltern erhalten. Nach Angaben des Gouverneurs von Michoacán, Salvador Jara, waren erste Hinweise dieser Art jedoch schon vor mehr als einem Jahr eingegangen. Nach der Durchsuchung von »La Gran Familia« meldeten sich der Staatsanwaltschaft zufolge bereits weitere Eltern, die sagten, ihre Kindern seien in dem Heim gefangengehalten worden. afp/nd
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