Lockmittel für die Länder
Im Herbst 2016 wird das Bafög angehoben
Studierende und Schüler, die auf Ausbildungsförderung angewiesen sind, hatten es in den letzten Jahren nicht gerade leicht. Obwohl die Lebenshaltungskosten und insbesondere die Mieten stark angestiegen sind, hatte sich beim Bafög lange kaum etwas getan. Zuletzt war es im Jahre 2010 um fünf Prozent angehoben und von der damaligen schwarz-gelben Koalition eingefroren worden.
Viele Betroffene müssen nun noch mehr als zwei weitere Jahre auf eine Verbesserung ihrer Situation warten. Mehr Geld soll es laut Bundesbildungsministerin Johanna Wanka nämlich erst ab dem Wintersemester 2016/2017 geben. Die CDU-Politikerin verkündete am Montag vor Journalisten in Berlin, dass der monatliche Förderhöchstsatz dann um rund 9,7 Prozent von derzeit 670 auf künftig 735 Euro steigen werde. Der Bedarfssatz erhöht sich um sieben Prozent, der Wohnzuschlag steigt auf 250 Euro. Der Kinderbetreuungszuschlag soll dem Konzept zufolge einheitlich 130 Euro betragen. Bisher gab es 113 Euro für das erste und 80 Euro für jedes weitere Kind.
Auch die Hinzuverdienstmöglichkeiten für die Studierenden werden ausgeweitet. Sie können künftig dauerhaft einen Minijob bis zur vollen Höhe von 450 Euro monatlichem Verdienst annehmen. Der Freibetrag für eigenes Vermögen der Bafög-Empfänger soll 7500 Euro statt 5200 Euro betragen.
Zudem sollen die Einkommensfreibeträge der Eltern für die Berechnung der Ausbildungsförderung um sieben Prozent steigen. Nach Angaben des Bundesbildungsministeriums wächst dadurch der Kreis der Förderberechtigten um mehr als 110 000 Studierende und Schüler. Derzeit werden im Jahresschnitt 630 000 Studierende und Fachschüler gefördert.
Das alles kostet viel Geld. Wanka erklärte, dass der Bund für die Verbesserungen rund 500 Millionen Euro jährlich aufwenden werde. Mit der Erhöhung steigen die jährlichen Bafög-Ausgaben des Bundes insgesamt auf rund vier Milliarden Euro. Der Bund hat den Ländern zugesagt, dass er ab dem kommenden Jahr die Ausgaben für das Bafög komplett übernehmen wird. Dadurch sollen die Länder um 1,17 Milliarden Euro entlastet werden.
Das Bafög-Gesetz ist Teil eines Bildungspakets. Zu diesem Paket gehören auch die sechs Bildungsmilliarden für die Länder mit Übernahme ihres bisherigen 35-prozentigen Anteils an den Bafög-Kosten sowie die Grundgesetzänderung zur Lockerung des Kooperationsverbots von Bund und Ländern in der Wissenschaft. Demnach soll der Bund künftig in Fällen von »überregionaler Bedeutung« mit den Ländern in Wissenschaft, Forschung und Lehre zusammenarbeiten dürfen, was eine langfristige Finanzierung von einzelnen Instituten und Hochschulen erlaubt.
Die Kostenübernahme des Bafög durch den Bund soll nun offenbar als Lockmittel für die skeptischen Landesregierungen dienen, die Wankas Pläne bisher ablehnen, weil ihnen die Vorhaben zur Aufweichung des Kooperationsverbots sowie die Erhöhung des Bafög nicht weit genug gehen. Schwarz-Rot benötigt für die Grundgesetzänderung zur Lockerung des Kooperationsverbots sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Im Bundestag ist dies aufgrund der erdrückenden Mehrheit der Großen Koalition kein Problem. In der Länderkammer sind Union und SPD hingegen auch auf Stimmen der Grünen angewiesen.
Die Grünen, die in sieben Ländern mitregieren, fordern, das Kooperationsverbot von Bund und Ländern in Gänze aufzuheben und die Schulen bei der Reform nicht außen vor zu lassen. Trotzdem dürften etwa die Grünen im finanziell klammen Nordrhein-Westfalen - wo sie gemeinsam mit der SPD die Landesregierung bilden - auf die Bafög-Kostenübernahme durch den Bund angewiesen sein. Deswegen können sie sich wohl eine Ablehnung des Bildungspakets - im wahrsten Sinne des Wortes - nicht leisten. Nicht zu Unrecht werfen die Grünen der Koalition nun vor, dass der Bund mit dem Paket eine »Erpressungssituation« im Bundesrat schaffe. Wanka formulierte bei ihrer Pressekonferenz die Situation etwas weniger dramatisch. Die Ministerin verwies darauf, dass sich die zuständigen Bundespolitiker derzeit in Verhandlungen mit den Ländern befänden. Der Bundesrat soll im Dezember über die Reform abstimmen.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.