Blaupause für Tempelhofer Feld
Mit einem neuen Beteiligungsverfahren will der Senat die Gemüter beruhigen
Tilmann Heuser soll es nun richten. »Stadtentwicklung geht nur gemeinsam«, hatte der Berliner Geschäftsführer des Umweltverbandes BUND nach dem gewonnenen Volksentscheid zur Zukunft des Tempelhofer Feldes gesagt. Er war einer der profiliertesten Kritiker der Senatspläne für die Fläche. Sein Verband hatte mit einer Klage sogar die Vorbereitungen für den Bau eines Regenwasserauffangbeckens auf dem Feld gestoppt. Nun soll Heuser das Verfahren koordinieren, in dem ein Pflege- und Entwicklungsplan (PEP) für das Tempelhofer Feld aufgestellt wird.
»Er ist eine gute Wahl. Der BUND hat sich mit seiner sehr sachkundigen, unabhängigen und unbestechlichen Position in der Diskussion Respekt verschafft«, sagt Katrin Lompscher, stadtentwicklungspolitische Sprecherin der LINKEN im Abgeordnetenhaus. Sie hält die Beschränkung auf den Pflege- und Entwicklungsplan allerdings für zu eng. »Es geht darum, die künftige Nutzung, Aneignung und Bewirtschaftung breit zu diskutieren.« Auch Grünen-Fraktionsvorsitzende Antje Kapek lobt Heuser als »gute Besetzung«. Hätte Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) gleich auf Mitbestimmung gesetzt, hätte er sich den Volksentscheid sparen können, sagt Kapek.
»Wir wollten nicht den Eindruck erwecken, dass die Verwaltung alles Selbst macht und alles besser kann«, begründet Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) diesen Schritt. Mitunter habe man früher zu viel vorgegeben, daher sollen die Akteure »als Erstes verhandeln, wie der Prozess selbst vonstattengehen soll«. Heuser habe sich während des Volksentscheides kritisch zu Wort gemeldet, dabei aber stets Wege für die Weiterentwicklung des Tempelhofer Feldes gesucht.
Ausgehend vom bisherigen Nutzerbeirat sollen viele weitere Diskutanten dazukommen, zivilgesellschaftliche Akteure wie die Initiative »100 Prozent Tempelhofer Feld« oder der Landessportbund, Vertreter aller fünf Abgeordnetenhausfraktionen, der drei an den Park angrenzenden Bezirke und der Stadtentwicklungsverwaltung, Juristen, Landschaftsplaner, und, und, und.
»Ich bin nicht der Heiner Geißler des Tempelhofer Feldes«, stellt Heuser aber klar. Es gehe nicht um eine Schlichtung wie bei Stuttgart 21, sondern darum, einen Plan für die Zukunft zu entwickeln. »Ich möchte gewährleisten, dass alle Berlinerinnen und Berliner sich einbringen können, nicht nur die zivilgesellschaftlichen Akteure.« Erste Stufe sei die Frage, wie man den Prozess grundsätzlich gestalten möchte, ohne sich dabei in endlosen Diskussionen zu verlieren. Zwei Monate Zeit hat Heuser dafür.
Am 27. September soll schließlich in einem großen Plenum, an dem nach Anmeldung jeder teilnehmen kann, der Startschuss für das eigentliche inhaltliche Verfahren fallen. Dabei geht es neben Ideen vor allem um Auslegungsfragen des Gesetzes, das mit dem Volksentscheid beschlossen wurde. Die Stadtentwicklungsverwaltung legt es momentan sehr eng aus. »Es wäre fatal, wenn der Eindruck entstünde, ich sei eingeschnappt und deswegen sage ich da ginge nichts«, erklärt Müller. Man müsse aus seiner Sicht sehr sorgfältig mit dem Gesetz umgehen. »Die weiteste Auslegung des Gesetzes kam von uns, obwohl wir im Ruf stehen übergenau zu sein«, sagt Heuser.
Es solle gemeinsam erarbeitet werden, »wie die wertvolle Natur geschützt, die Historie des Ortes gesichert und die Möglichkeiten für Erholung, Freizeit und Sport weiterentwickelt werden«, sagt Heuser. In diesem Rahmen wird dann zu klären sein, ob die Sehitlik-Moschee Erweiterungsflächen für den Friedhof erhalten kann, ob vielleicht doch eine Fußgänger- und Radfahrerbrücke von der Südseite her machbar ist, oder ob man einen Nord-Süd-Weg anlegen kann. Auch das ökologische Wassermanagement muss nach dem Aus für die bisherige Beckenplanung neu verhandelt werden. »Da wird das eine oder andere auf Heuser zukommen in den nächsten Monaten«, sagt Müller voraus. Kommenden Sommer soll der Plan stehen. Das letzte Wort werden jedoch Senat und Abgeordnetenhaus haben. »Es geht schließlich auch um Geld«, sagt Müller. Vielleicht entsteht hier die Blaupause für die künftige Partizipation in der Stadtentwicklung.
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