Wetten dass?

  • Thomas Wieczorek
  • Lesedauer: 2 Min.
Nein, es war kein Sketch von Loriot, obwohl die Staatsanwältin Renate Dinkel genau wie jene urkomisch-verklemmte Sekretärin heißt, die sich ihres zudringlichen Chefs erwehren muss. Die reale Strafverfolgerin Dinkel dagegen rückte bierernst mit Kamerateam zum Training bei 1860 München an, um Beweismaterial in Gestalt der neuen Trikotwerbung zu sichern. »Bet-andwin« nämlich bietet private Sportwetten an, und das ist bei uns verboten. Vorgeblicher Grund: Suchtgefahr. Suchtgefahr? Besteht die beim staatlichen Wett-Anbieter Oddset nicht? Diese Heuchelei erkannte auch das Bundesverfassungsgericht, das im Frühjahr zwar das staatliche Wettmonopol bestätigte, es aber konsequent am Ziel Suchtbekämpfung ausgerichtet sehen wollte und nicht in erster Linie an der Sanierung des Haushaltes. Skurrile Folge: Ab 2007 muss der Gesetzgeber entweder die Privaten erlauben oder Oddset darf keine Kunden mehr durch Werbung anlocken. Nun ist das Wetten eine der ältesten Vorlieben der Menschheit überhaupt. Mit Sicherheit wurde schon im antiken Olympia bei Läufern, Speer- und Diskuswerfern auf Sieg oder Platz gewettet, vielleicht berechnete schon in der Arche Noah ein Buchmacher die Quoten für die Anzahl der mitreisenden Tiere. Aus unserem Alltag ist das Wetten erst recht nicht wegzudenken: »Macht Kollege Lehmann heute wieder blau?», »Wie oft verhaspelt sich Edmund Stoiber bei Christiansen?«, »Wann zerbricht die Koalition?« Kaum ein Ereignis, bei dem die Bürger nicht ihre Hellseherfähigkeiten erproben - vor allem in Wirtschaft und Politik. So ist die gesamte Börse ein einziger gigantischer Wettanbieter: Ein Aktienkauf bedeutet nicht anderes als eine Wette auf den Anstieg, ein Verkauf auf das Sinken des Kurses. Die klugen Börsenexperten geben dabei keine besseren Ratschläge als Manschetten-Charly beim Pferderennen. Und auch hinter den Arbeitslosen-Prognosen von Fünf Weisen und Regierung dürfte nichts anderes stecken als simple Wetten. Muss Angela Merkel an Renate Künast eine Kiste Bio-Schampus zahlen, wenn es wieder über fünf Millionen sind?
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