Rufbereitschaft hat für Schutz durch Unfallversicherung Grenzen

Bundessozialgericht klärte Unfallschutz einer Altenpflegerin und bei der Pflege von Angehörigen

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Das Bundessozialgericht in Kassel hat über Fälle zum Schutz durch die gesetzliche Unfallversicherung entschieden. Dabei ging es um den Schutz für eine professionelle Pflegekraft und einen pflegenden Angehörigen.

In der Rufbereitschaft hat der Schutz durch die gesetzliche Unfallversicherung Grenzen. Gehen Arbeitnehmer während einer Rufbereitschaft mit ihrem Hund Gassi, sind sie während eines gleichzeitig geführten dienstlichen Telefonats nicht automatisch unfallversichert.

Ein Schutz greift nur, wenn der Unfall tatsächlich durch das Dienstgespräch verursacht wurde, urteilte das Bundessozialgericht am 27. Juni 2014 (Az. B 2 U 4/13).

Geklagt hatte eine Altenpflegerin der Johanniter-Unfallhilfe. Die Frau war zur Rufbereitschaft verpflichtet und hatte dafür von ihrem Arbeitgeber ein Dienst-Handy erhalten. Als sie im Januar 2010 Rufbereitschaft hatte, ging sie mit ihrem Hund Gassi. Als das Diensttelefon klingelte, nahm sie das Gespräch an und übersah dabei eine Bordsteinkante. Bei dem darauffolgenden Sturz brach sie sich den Knöchel.

Von der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen wollte sie den Unfall als Arbeitsunfall anerkannt haben. Doch die lehnte ab. Nicht sie, sondern die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege sei allenfalls für den Fall zuständig. Außerdem sei der Unfall vorwiegend wegen einer privaten Tätigkeit, dem Spaziergang mit dem Hund, entstanden. Daher liege kein Arbeitsunfall vor.

Das BSG verwies den Fall an das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen zurück. Dieses müsse nochmals prüfen, ob ein Arbeitsunfall vorliegt. Denn die Klägerin habe hier eine gemischte Tätigkeit ausgeführt - das private Gassigehen mit dem Hund und das dienstliche Telefongespräch.

Es komme nun darauf an, welches Handeln ursächlich für den Unfall verantwortlich war. Es sei nicht geklärt, ob die Annahme des Telefongesprächs zur Unachtsamkeit und damit zum Sturz geführt habe.

BSG stärkte Schutz für pflegende Angehörige

Die Pflege von nahen Verwandten gilt nicht als Erwerbstätigkeit. Auch wenn Angehörige für ihre Pflege den elterlichen Hof überschrieben bekommen, stehen sie bei einem Unfall in der Regel unter dem Schutz einer Unfallkasse.

Zu dieser Entscheidung kam das Bundessozialgericht (Az. B 2 U 9/13 R). Im konkreten Fall hatte der Kläger mit seinen inzwischen verstorbenen Eltern einen Vertrag geschlossen, dass der landwirtschaftliche Betrieb auf ihn überschrieben wird. Im Gegenzug verpflichtete sich der Sohn, sich um den Haushalt der Eltern zu kümmern und diese im Alter zu pflegen. Als der Vater pflegebedürftig wurde, pflegte er ihn vereinbarungsgemäß und erhielt dafür noch einen Teil des Pflegegeldes.

Im April 2010 kam es dann zu einem Unfall während der Pflege. Beim Umsetzen des damals 95-jährigen Vaters vom Bett auf den Toilettenstuhl verdrehte der Sohn sein linkes Knie.

Die Kommunale Unfallversicherung Bayern wollte für den Unfall nicht aufkommen. Der Sohn habe seine Pflegetätigkeit erwerbsmäßig ausgeführt, schließlich habe er dafür auch den Hof überschrieben und einen Teil des Pflegegeldes bekommen. Bei einer Erwerbstätigkeit müsse die kommunale Unfallversicherung aber nicht zahlen.

Basiert die Pflegetätigkeit auf einer »engen persönlichen Bindung«, sei nicht von einer Erwerbstätigkeit auszugehen. Der Kläger stand daher unter dem Schutz der Kommunalen Unfallversicherung, urteilte das Bundessozialgericht. epd/nd

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