Waffen an die Kurden? Linke widersprechen Gysi

Fraktionsvize Bartsch: In der Region sind schon genug Waffen / van Aken lehnt Gysis Vorhaben strikt ab / Dagdelen: Lieferung wäre »grob fahrlässig« / Korte: Überlegungen Gysis »gerechtfertigt und sinnvoll«

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Berlin. Linksfraktionschef Gregor Gysi stößt mit seinem Plädoyer für ausnahmsweise Waffenlieferungen an die Kurden im Kampf gegen die dschihadistsiche IS-Miliz auf Widerspruch in seiner Partei. »Ich finde, dass in der Region schon genug Waffen sind. Deutschland sollte beim Waffenexport entschlossen auf die Bremse treten«, sagte Fraktionsvize Dietmar Bartsch der »Mitteldeutschen Zeitung« laut einer Vorabmeldung. Seine Amtskollegin Sahra Wagenknecht sagte, sie »gehe fest davon aus, dass Gregor Gysi, wie wir alle, die Position vertritt, dass Rüstungsexporte verboten werden müssen. Ganz besonders betrifft das natürlich Rüstungsexporte in Krisenregionen«. Die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen nannte die Lieferung von Waffen an die Kurden im Norden des Irak »grob fahrlässig« und warnte davor, dass »sich deutsche Waffen dann schon bald in den Händen des IS wiederfinden« könnten.

Auch der außenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Jan van Aken, hat die Forderung von Fraktionschef Gregor Gysi, die Kurden und die irakische Armee mit Waffen in ihrem Kampf gegen die Gruppe »Islamischer Staat« zu unterstützen, scharf zurückgewiesen. »Das ist total falsch«, Gysi sei schlecht informiert, sagte Jan van Aken (Komplettes Interview morgen im gedruckten nd). »Die den Kampf vor Ort führen, brauchen nicht militärische, sondern humanitäre Hilfe«, so van Aken.

Jesidische Tragödie im Nordirak

Im Nordirak spielt sich ein schrechlicke Tragödie ab. Nach einem Überraschungsangriff der Kämpfer vom Islamischen Staat (IS) sind jesidische Kurden in die Bergregion von Sindschar nahe der syrischen Grenze geflohen. Ihr Schicksal ist offen, Deutschland könnte helfen. Über die Frage, wie die Hilfe aussehen soll, ist eine Debatte ausgebrochen. Mehr

Van Aken betonte weiter: »Im Irak mangelt es im Augenblick nicht an Waffen. Es ist auch nicht so, dass die einen mit Flinten und die anderen mit Stinger-Raketen schießen.« Auch die Kurden kämpften mit amerikanischen Waffen, die im Zuge der Kämpfe immer wieder die Seiten gewechselt hätten. Darauf zieht der LINKE-Waffenexportgegner den Schluss: »Egal, an wen man im Augenblick Waffen liefert, man hat niemanden gestärkt, sondern nur den Konflikt befeuert.«

Die Linken-Innenexpertin Ulla Jelpke sagte auf Phoenix, sie sei »total dagegen«, dass die Linke von ihrem bisherigen Nein zu Rüstungsexporten abweiche. Gegenüber der »Tageszeitung« sagte der außenpolitische Sprecher der Fraktion, Wolfgang Gehrcke, Waffenhilfe für die Kurden sei eine »Büchse der Pandora, die, erst einmal geöffnet, nicht wieder geschlossen werden kann«. Die Bunedstagsabgeordnete Christine Buchholz erklärte dem Blatt, es gebe keinen Grund an der generellen Ablehnung von Rüstungsexporten in den Nahen Osten abzukehren.

Der Parteivorsitzende Bernd Riexinger sagte im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur: »Natürlich haben auch die Kurden das Recht auf Selbstverteidigung, aber wir finden, dass dies eine Stunde der Vereinten Nationen werden muss. Die UN sollen eine dauerhafte Friedenslösung auf der Basis des Völkerrechts herbeiführen. Darüber habe ich mit Gregor Gysi auch noch einmal gesprochen und wir sind uns da einig.«

In einer Erklärung, die von Gysi und den beiden Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger unterzeichnet wurde, wird vor einem Genozid gewarnt, »der verhindert werden muss. Jeder Akt der Selbstverteidigung gegen den Vormarsch der Terrorbanden« sei legitim. »Die internationale Gemeinschaft muss in dieser Krise nach drei gleichberechtigten Prämissen handeln: akute Konflikteindämmung, politische Deeskalation und humanitäre Hilfe. Dies darf nicht die Stunde von Interventionen werden. Ein dritter Irakkrieg ist keine Lösung«, so die drei Linkenpolitiker. Die Forderung nach Waffenlieferungen wird in dieser Erklärung nicht erhoben.

Der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Jan Korte, nahm Gysi gegen Kritik in Schutz. »Es gibt eine internationale Debatte darüber, was man konkret tun kann«, sagte er der »Mitteldeutschen Zeitung«. In diesem Kontext seien »die Überlegungen Gregor Gysis gerechtfertigt und sinnvoll«. Der Bundestagsabgeordnete sagte zudem, der Selbstverteidigungskampf der Kurden müsse muss unterstützt werden. »Die irakische Armee und die Kurden sind dazu völkerrechtlich legitimiert. Daher muss gefragt werden, ob sie auch ausreichend ausgerüstet sind.«

Gysi hatte am Montag gesagt, die IS-Kämpfer seien nur militärisch zurückzudrängen. Dafür seien Waffenlieferungen an die Kurden und an die irakische Armee notwendig. Gegenüber der »Tageszeitung« erklärte Gysi: »Eigentlich bin ich strikt gegen deutsche Waffenexporte. Da aber Deutschland ein wichtiges Waffenexportland ist, könnte in diesem Ausnahmefall ein Waffenexport dorthin dann statthaft sein, wenn andere Länder dazu nicht unverzüglich in der Lage sind.« Der Linken-Politiker begründete dies mit den Worten: »In dieser Notsituation ist das erforderlich, um größeres Unheil zu verhindern.«

Um ein weiteres Vorrücken der im Irak und in Syrien operierenden IS-Kämpfer zu verhindern, müsse man außerdem den Gesprächsfaden mit dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad wieder aufnehmen, fügte Gysi hinzu. »In Syrien wollte ja keiner mehr mit Assad sprechen. Jetzt wird allen ganz schlecht, wenn diese IS-Armee das Ganze übernimmt.«

Der Linkenpolitiker Dominic Heilig verwies darauf, »dass es eine Lösung der Lage im Norden des Irak nicht geben kann, ohne Druck auf weitere Einflussmächte in der Region auszulösen«. Unter anderem müssten alle Waffenexporte in die Region gestoppt werden, etwa auch an Saudi-Arabien. Zudem müssten weitere Anstrengungen für Friedens- und Waffenstillstandsabkommen mit der syrischen Regierung unternommen sowie die Anerkennung der Kurden in der Region als Verhandlungspartner vorangetrieben werden. Wichtig sei auch, so Heilig in einem Gastbeitrag in »neues deutschland«, die Finanzströme der Terrorgruppe Islamischer Staat »abzuklemmen und den Flüchtlingen in den umkämpften Gebieten unmittelbar humanitäre Hilfe zukommen zu lassen«.

Heilig forderte zudem seine Partei auf, sich »mit der Frage auseinandersetzen, ob nach Abwägung aller Umstände und Informationen, die nunmehr auch durch unabhängige nichtstaatliche Organisationen vorliegen, ein Einsatz der Vereinten Nationen zum Schutz der Geflohenen und den quasi in IS-Geiselhaft befindlichen Menschen in der Region gerechtfertigt wäre«. nd/mit Agenturen

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