»Für Wiederholungstäter sollte es auch Freiheitsstrafen geben«
André Hahn fordert die Aufnahme des Tatbestands Sportbetrug in einem Antidopinggesetz und Strafen für Doper und deren Umfeld
nd: Die SPD hat bereits ein Antidopinggesetz vorgelegt, auch die Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg. Warum kommt die LINKE jetzt mit noch einem Vorschlag?
Hahn: Der SPD-Entwurf stammt aus der letzten Wahlperiode. Im Koalitionsvertrag haben CDU/CSU und SPD angekündigt, ein Gesetz gegen Doping im Sport zu beschließen. Ein Parlamentsjahr ist fast vorbei. Nichts ist passiert. Legt die Koalition nichts vor, muss die Opposition handeln.
Woran klemmt es in der Koalition?
Es gibt offenbar zwischen SPD und Union, aber auch innerhalb der CDU, Differenzen darüber, was in einem solchen Gesetz verankert werden soll. In den Fraktionen gibt es zahlreiche Lobbyisten, Präsidenten und Vizepräsidenten von Vereinen und Verbänden. Ein großer Streitpunkt ist, was die Sportgerichtsbarkeit leisten kann und was die Strafgerichtsbarkeit leisten soll.
Diejenigen, die aus dem Sport kommen, wollen also, dass möglichst viele Kompetenzen bei der Sportjustiz verbleiben und möglichst wenig bei der Strafjustiz landet?
Ja. Sie sind der Ansicht, dass die Sportgerichte ausreichen. Wir teilen diese Auffassung nicht. Die bisherigen Regelungen haben Doping nicht wirksam eindämmen können. Wir denken, es ist notwendig, den Straftatbestand Sportbetrug einzuführen.
Was soll das Gesetz leisten?
Es soll sich gegen Sportler richten, die sich durch Doping einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, und gegen die Hintermänner und Netzwerke, die sie dabei unterstützen. Das betrifft auch Trainer und Ärzte. Da muss man auch mit dem Entzug der Approbation reagieren können. Und es muss empfindliche Geldstrafen für gedopte Leistungssportler geben. Die Höhe der Strafe soll sich am Einkommen orientieren, das direkt oder mittelbar durch den Sport erzielt wird, also einschließlich Siegprämien und Werbeeinnahmen, denn da gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Sportarten. Wenn ein Athlet im Alter von 32 Jahren, der sowieso bald aufhören wird, gesperrt wird, tut ihm das doch nicht weh, selbst wenn es ein negatives Karriereende ist. Aber eine hohe Geldbuße oder/und in besonders schweren Fällen eventuell auch eine Haftstrafe trifft ihn viel empfindlicher. Da wird man sich genau überlegen, ob man verbotene Substanzen nimmt. Wir wollen die Hürde fürs Doping erhöhen.
Konkrete Haftstrafen benennen Sie aber nicht.
Wir haben in den Antrag bewusst keine Zahlen hineingeschrieben, weil wir eine öffentliche Debatte dazu wollen. Bei Wiederholungstätern oder Netzwerken, wie wir sie im Radsport hatten, sollte es definitiv auch Freiheitsstrafen geben. Wir wollten uns jetzt aber noch nicht festlegen auf zwei oder maximal fünf Jahre, wie es der SPD-Entwurf vorsah. Wichtig ist uns, dass Sportbetrug überhaupt als Straftatbestand eingeführt wird. Wir warten jetzt, was die Regierung vorlegt. Wenn von ihr bis zum Herbst ein Entwurf für ein Antidopinggesetz kommt, kann man das gemeinsam mit unserer Vorlage diskutieren. Wenn nicht, werden wir unseren Antrag im Bundestag zur Entscheidung stellen.
Zahlreiche Netzwerke wurden erst aufgedeckt, als die Polizei auf Straftaten ermittelte, die Haftstrafen vorsahen. So waren Telefonüberwachungen erlaubt. Wie sehen Sie diesen Aspekt?
Ich sehe zunächst keinen Unterschied für die Aufnahme von Ermittlungen, ob der Tatbestand eine Geld- oder eine Freiheitsstrafe nach sich zieht. Gegenwärtig haben die Staatsanwaltschaften gegen dopende Sportler aber gar keine Grundlage zum Handeln, außer, sie stellen Missbrauch von Schutzbefohlenen oder Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz fest.
Sollte der neue Straftatbestand also in den § 100 der Strafprozessordnung aufgenommen werden, der das Abhören möglich macht?
Ja, das wäre eine Möglichkeit.
Sehen Sie eine Kronzeugenregelung vor? Das Verfahren gegen Radsportler Lance Armstrong wurde nur durch die Anzeige von Whistleblower Floyd Landis möglich.
Ich halte den Begriff »Kronzeugen« für problematisch. Uns geht es darum, Strukturen aufzudecken und Hintermänner zu ermitteln. Das sollte man aber nicht mit zusätzlichen finanziellen Anreizen wie bei Landis versehen. Bei umfassenden Aussagen in Gerichtsverfahren sollte es aber die Möglichkeit für eine Reduzierung der Strafe oder auch Straffreiheit geben.
Wird es in dieser Legislaturperiode noch ein Antidopinggesetz geben?
Ich gehe davon aus, dass es dazu kommt, befürchte aber zugleich, dass die Vorschriften eher weich gefasst werden, weil Union und SPD sich nicht auf klare Regelungen einigen können und die Sportfunktionäre die eigene Gerichtsbarkeit nicht gefährden wollen. Meiner Ansicht nach können Sportgerichtsbarkeit und Strafjustiz aber gut parallel arbeiten. Es kann sein, dass Sportler, die für Dopingvergehen von ihrem Verband Sperren erhalten, von der Strafjustiz gar nicht belangt werden, weil ihnen kein Vorsatz nachgewiesen werden kann. Es sollte aber zumindest die Möglichkeit geben, umfassend ermitteln zu können.
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