Idee vom Welterbe und weltklasse Idee
Die Naumburger KulturAkademie lädt erstmals vom 20. bis 22.10. zu besonderen Seminaren
Hier sitz ich, forme Menschen nach meinem Bilde ...«, ließ Prometheus Gottvater Zeus wissen. Wie wär's denn, wenn Sie es ihm einfach mal nachmachten? So, wie es einst der unbekannte Naumburger Meister im Dom der Saalestadt tat und mit seinen dort geformten Stifterfiguren zu Weltruhm brachte. Wenn Sie bereit sind, es ihm nachzutun und sich im Oktober »In die dritte Dimension« begeben, werden Uta, Reglindis und Co. dabei gern eine Gastrolle als Muse übernehmen. Die künstlerische Anleitung übernimmt der Schweizer Bildhauer Stefan Hutter, der mit den Naumburger Hobbymeistern im Garten des Doms - also im Dunstkreis des unbekannten Meisters - zeichnen, modellieren und schnitzen wird. Möglicherweise kommt ja beim ersten Versuch nicht gleich eine weltklasse Stifterfigur heraus, ein ganz besonderes Unikat aber gewiss.
»In die dritte Dimension« ist nur eines von insgesamt zehn Seminaren der KulturAkademie Naumburg, die mit dem Herbstsemester 2014 gleichzeitig ihren »Lehrbetrieb« eröffnet. Die Idee zu dieser deutschlandweit einzigartigen Bildungseinrichtung entstand gewissermaßen in einer weinseligen Runde einiger Kulturinteressierter zwischen 30 und 80. Mit dabei Naumburgs ehemaliger Oberbürgermeister Curt Becker, der sich schon eine ganze Weile darüber ärgerte, dass es in der Stadt, die einst mehrere Fachschulen hatte, keinerlei höhere Bildungseinrichtungen mehr gibt. Naumburg ist so reich gesegnet mit Kultur- und Kunstschätzen und mit einer geschichtsträchtigen Landschaft, die nahezu danach schreit, noch bekannter zu werden, dachte er sich, da müsste doch was zu machen sein. Seine Grundidee aber, eine Seniorenakademie zu etablieren, stieß auf energischen Widerstand der Jüngeren. Nein, es müsste etwas sein, was Menschen jeden Alters anspricht, unsere Kunst-, Kulur- und Naturschätze in den Mittelpunkt stellt, und was es noch nirgendwo gibt, meinte Stefan Simon, der als Fachberater bei der Naumburger Öko-BeratungsGesellschaft arbeitet. Ein paar Gläser Saale-Unstrut-Wein weiter war der Name der Bildungseinrichtung gefunden: KulturAkademie Naumburg. Das ist ein knappes Jahr her.
Nun galt es, sie nur noch mit Leben zu füllen, und dafür bedurfte es genau so »Verrückter« wie die beiden Gründungsväter. Bald hatten sich rund 20 Mitglieder aus den unterschiedlichsten Bereichen unter dem Dach eines Vereins zusammengefunden. Alle verbindet die Liebe zur geschichtsträchtigen Kulturlandschaft an Saale und Unstrut und der feste Wille, ihre Leidenschaft für die Region - die darauf hofft, im nächsten Jahr in die UNESCO-Weltkulturerbeliste aufgenommen zu werden - auf Menschen aus ganz Deutschland und möglichst darüber hinaus zu übertragen. »Wir wollen aufgeschlossenen und interessierten Personen die kulturellen Besonderheiten aus bildender und angewandter Kunst, Geschichte, Architektur und Musik in und um Naumburg durch Bildungsangebote nahe bringen und zur Belegung der Stadt und Region beitragen«, formulierten sie den Bildungsauftrag der KulturAkademie und machten sich daran, diesen mit konkretem Inhalt zu füllen und fachkompetente Referenten zu finden. »Dazu war es gar nicht nötig, weit außerhalb der Stadtgrenzen zu suchen«, erzählt Stefan Simon, heute 2. Vorsitzender der besonderen Bildungseinrichtung. »Bei allen, die wir ansprachen, rannten wir offene Türen ein.« Entstanden ist ein prall gefülltes Angebot für das dreitägige Herbstsemester vom 20. bis 22. Oktober.
»Welterbe? Welterbe!«, heißt eines der Seminare. Dass nicht die Frage, sondern die Feststellung das einzig Richtige ist, wird Karl Büchsenschütz, Leiter der Arbeitsgruppe des Fördervereins »Welterbe an Saale und Unstrut«, den Seminarteilnehmern genau so anschaulich wie kurzweilig erläutern. Geplant sind mehrere Exkursionen in die besonders durch das Mittelalter geprägte Kulturlandschaft und natürlich eine Besichtigung des Naumburger Doms, in dem noch bis 1. November die hochkarätige Sonderausstellung »Glanzlichter« mit Meisterwerken zeitgenössischer Glasmalerei zu sehen ist.
Auch, wer sich besonders für die »Geheimnisse des alten Ägypten« interessiert, ist in Naumburg genau richtig und sollte sich unbedingt für das gleichnamige Seminar einschreiben. In dessen Mittelpunkt steht Richard Lepsius, der 1810 in Naumburg geboren wurde und als einer der weltweit verdienstvollsten Vertreter der Ägyptologie gilt. Exkursionen unter Leitung von Prof. Dr. Frank Müller, Experte auf dem Gebiet der Pyramidenbautechnik, führen in die nahegelegene Landesschule Pforta, deren Schüler Lepsius einst war, und in das Ägyptische Museum der Uni Leipzig.
Für alle, die sich für Oldtimer begeistern, insbesondere für solche, die auf Schienen fahren, dürfte das Seminar »Straßenbahn kompakt« genau das richtige sein. Die beiden Geschäftsführer der Naumburger Straßenbahn GmbH, Andreas Plehn und Andreas Messerli, nehmen die Kursteilnehmer mit auf eine abenteuerliche Reise durch die Geschichte des kleinsten Straßenbahnunternehmens Deutschlands (siehe auch nd vom 5. 7. 2014). Dabei dürfen sie nicht nur einen Blick hinter die Kulissen der »Wilden Zicke werfen«, wie die Naumburger ihre 122 Jahr alte Dame liebevoll nennen, sondern als Höhepunkt des Seminars selbst mal die Kurbel greifen und eine Runde mit der Straßenbahn drehen.
»Es lebe der Wein!« Diesem Satz werden Freunde des edlen Rebensaftes sicher gern zustimmen, erst recht, wenn man sich in einer Landschaft befindet, deren unverwechselbarer Charakter seit mehr als 1000 Jahren maßgeblich durch den Weinanbau geprägt wurde. Unter dem Motto steht auch die dreitägige feucht-fröhliche Wissenserweiterung über Geschichte, Anbau und Tradition der Weinbaukultur an Saale und Unstrut, die von Weinexperten Rainer Albert Huppenbauer geleitet wird. Der praktische Teil der Weiterbildung führt in mehrere renommierte Weingüter in und um Naumburg, wo die Probe aufs Exempel gemacht wird. Dabei werden die Seminarteilnehmer ganz sicher zu dem gleichen Schluss kommen, wie einst der Dichter Joachim Ringelnatz, der ein bekennender Freund der Weine von Saale und Unstrut war: »Die besten Vergrößerungsgläser für die Freuden dieser Welt sind jene, aus denen man trinkt.«
Egal, ob man sich für eines der genannten Themen oder vielleicht für ein Seminar zu Friedrich Nietzsche, der viele Jahre in Naumburg lebte, zur Sakralarchitektur an Saale und Unstrut, zur Heiligen Elisabeth, eine der der herausragenden Frauengestalten des Mittelalters, oder zu den Zisterziensermönchen entscheidet: alle »Studierenden« werden sich am zweiten Abend bei einem festlichen Empfang treffen, wo sie ausgiebig Gelegenheit haben, sich über das Gelernte auszutauschen.
Infos
KulturAkademie Naumburg e.V., Domplatz 19, 06618 Naumburg, Tel.: (03445) 23 01-123 o. -103 E-Mail: info@kulturakademie-naumburg.de, www.kulturakademie-naumburg. de
Anmeldeschluss: 30.9.2014
Die Seminare finden alle vom 20. bis 22. Oktober statt
Die Kosten für die dreitägige Veranstaltung liegen zwischen 180 und 230 Euro. Darin ist alles außer der Übernachtung enthalten. Studenten zahlen nur 50 Euro.
Nächste Seminare: 20. bis 22.3. und 19. bis 21.10.2015
Touristische Informationen:
www.saale-unstrut-tourismus.de;
www.naumburg-tourismus.de
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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