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Krieg im Hinterkopf

Sportschützen-WM: Libanon fehlt, Israel startet

  • Lars Becker
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Name Elie Haddad steht auf der Startliste, aber Schießbahn 1 beim Wettbewerb mit der Standardpistole bleibt leer. Es ist immer das gleiche, traurige Spiel bei den WM der Sportschützen im brütend heißen Zagreb. »Die Sportler aus dem Libanon sind gemeldet, und ich kann sie bis zum ersten Wettkampf nicht einfach streichen«, sagt eine Frau aus dem Ergebnis-Auswertungszentrum fast ein bisschen verzweifelt.
Es wird aber wohl keiner der zehn gemeldeten Libanesen bei den Titelkämpfen im Militärsportzentrum Zagreb auftauchen. Der Flughafen in Beirut ist zerstört, eine Million Menschen sind auf der Flucht. »Die Libanesen haben ihren Aufenthalt wegen des Krieges abgesagt«, bestätigt die Unterkunftschefin. Ob die Sportler zuhause Leib und Leben gerettet haben, weiß niemand genau.
Die Sportschützen aus Israel sind dagegen gekommen. Hellblau strahlen die Shirts der zwölf gemeldeten WM-Starter mit der Aufschrift »Israel«. »Der Krieg ist das eine, und der Sport das andere«, meint der Israeli Doron Egozi, ein junger Mann mit lockigen, dunklen Haaren. Er möchte am liebsten gar nicht erst den Gedanken daran aufkommen lassen, dass es zwischen seinem Sportgewehr und den tödlichen Waffen im Konflikt gewisse Parallelen gibt.
Der 25-Jährige lebt im 700-Seelen-Kibbuz Maabarot im kriegsfernen Süden. Einer seiner drei Brüder ist gerade zu Besuch, weil es im Norden wegen der Hisbollah-Angriffe zu gefährlich geworden ist. »Es ist eine schlimme Situation«, sagt Egozi leise. Sein WM-Kollege Saimon Grinberg habe schlimme Erfahrungen im Training gemacht: »Er hat gerade auf dem Schießstand nahe der Grenze geübt, als in der Nähe eine Katjuscha-Rakete eingeschlagen ist«. Nach einem 53. WM-Platz mit dem Luftgewehr in Kroatien ist Grinberg wieder in die gefährliche Heimat zurückgereist. Egozi bleibt nach dem 22. Rang (Luftgewehr) noch ein bisschen im Frieden.
Doch der Krieg ist allgegenwärtig: »Wir reden im Team immer darüber, schauen uns ständig Nachrichten an. Es ist einfach im Hinterkopf», sagt der junge Mann: »Wenn du dann auf den Schießstand gehst, musst du alles verdrängen.« Als er gerade von seinen Sorgen erzählt, läuft der erfahrene Olympiastarter Guy Starik vorbei, und fordert seinen jungen Kollegen eindringlich auf, nur über den Sport zu reden. Aber Doron Egozi möchte auch über andere Dinge sprechen. Zum Beispiel davon, dass er noch nie mit einem arabischen Sportler Probleme hatte: »Wir haben gute Beziehungen. Es gab nie irgendwelche Auseinandersetzungen.« Doron will in Frieden mit seinen Nachbarn leben, aber er möchte keine Angst mehr vor Terror haben.
Er ist einer der besten Sportschützen des Landes, aber mit der Armee hatte er bislang nur kurz zu tun. In Israel muss fast jeder Jugendliche zum Militär, aber für die Sportler ist die Zeit verkürzt. Der zurückhaltende Mann glaubt, dass er nicht wie viele andere Reservisten in die Armee eingezogen wird: »Ich wohne zum Glück weit entfernt in einer günstigen Gegend.« Doron Egozi hofft inständig, dass aus seinem Schützensport nie tödlicher Ernst wird. sid
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