Gegen den Burgfrieden

»Solange Leben in mir ist« im nd-Filmclub im Kino Toni

  • Kira Taszman
  • Lesedauer: 3 Min.

Er war der einzige Reichstagsabgeordnete, der sich 1914 gegen den Ersten Weltkrieg aussprach: Karl Liebknecht - Rechtsanwalt, Pazifist, Sozialist. Als 1914 in der Plenarsitzung des Reichstags über die Kriegskredite abgestimmt wurde, musste er sich noch dem Fraktionszwang der SPD unterwerfen. Bei der späteren Reichstagssitzung schließlich behauptete er sich inmitten aggressiver, ihn als »Vaterlandsverräter« beschimpfender Politikerkollegen und musste sein »Nein« gegen sie geradezu herausschreien. So stellt es jedenfalls Günter Reischs DEFA-Klassiker »Solange Leben in mir ist« dar.

1965 mit einem Rekordbudget von sechs Millionen DDR-Mark gedreht, schildert das Epos zwei Jahre im Leben Liebknechts - von 1914, kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, bis 1916, unmittelbar bevor er zu Zuchthaus wegen angeblichem Hochverrat verurteilt wurde. Zu sehen ist die über zweistündige Schwarz-Weiß-Filmbiografie am heutigen Mittwoch im Kino Toni im Rahmen des »nd-Filmclubs«. Der mittlerweile 93-jährige Hauptdarsteller Horst Schulze wird zur Veranstaltung als Gesprächspartner erwartet. Er vollbringt im Film Beachtliches, muss er doch eine Figur spielen, die dermaßen überhöht wird, dass ihr nicht einmal kleinere charakterliche Schwächen wie Ungeduld oder ein böses Wort gegönnt werden.

Von den Maskenbildnern mit Schnurrbart, Zwicker und zurückgekämmtem Haar überzeugend zurechtgemacht, strahlt der Film-Liebknecht eine kaum zu überbietende Würde aus, wirkt aber selbst in all seiner Weisheit und Güte nicht lächerlich. Trotz der charakterlichen Unfehlbarkeit Liebknechts veranschaulicht der Film jedoch politische Zusammenhänge treffend (wenn auch mitunter demonstrativ), etwa die Allianz zwischen der großbürgerlichen Rüstungsindustrie in der Verkörperung von Gustav Krupp und dem deutschen Kaiser Wilhelm II.

Wenn die Massen frisch mobilisierter Männer in ihrer dumpfen Kriegseuphorie patriotische Lieder schmettern, die Reichstagsabgeordneten die Nationalhymne intonieren und große Teile der SPD die Vaterlandsliebe dem Pazifismus vorziehen, steht Liebknecht mit seiner Überzeugung im Abseits. Die Einsamkeit des Helden und die Schikanen, denen er und seine Familie ausgesetzt sind, machen ihn wieder menschlich. Auch beweist der Film angesichts des Gedenkens an den 100 Jahre zurückliegenden Anfang des Ersten Weltkriegs seine Aktualität, spiegelt er doch die Machtverhältnisse im untergehenden Kaiserreich mit seinen blasierten Eliten und den arbeitenden Massen wider.

Dass Vertreter der Proletarier menschlich genauso überhöht werden wie die Figur Liebknechts, ist den Imperativen des DDR-Historienfilms geschuldet. Auch ein wahrer Schwall an tatsächlichen oder vermeintlichen Liebknecht-Aussprüchen à la »Ich lasse mich weder biegen noch brechen« verderben den Film als Ganzes trotz ihres Pathos nicht. Zudem macht es Freude, DEFA-Schauspielgrößen wie Jutta Hoffmann - jung, hübsch und fragil - oder Stefan Lisewski und Rolf Ludwig wiederzuentdecken.

27.8. um 18 Uhr im Kino Toni am Antonplatz; www.kino-toni.de, Tel.: (030) 92 79 12 00
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