»Ein Gebräu«, Zutat DKP
Was hat Marburg mit Erfurt zu tun? Eine politisch imprägnierte Recherche über Bodo Ramelows Biografie wird zum juristischen Streitfall
Nun, ein Wahlkampf ist keine Kuschelecke. Wer politische Ämter anstrebt, der muss sich auch in jene Karten gucken lassen, die er vielleicht gern ganz unten im Stapel versteckt hält. Das ist normal, und so gesehen müsste es eigentlich keine Aufregung darüber geben, wenn in der »Thüringer Allgemeinen« eine große biografisch orientierte Recherche über Bodo Ramelow erscheint. Der Linkenpolitiker könnte immerhin bald Ministerpräsident werden. Da will man ja wissen, mit wem man es zu tun hat.
Im »Tagesspiegel« schreibt Albert Funk, mit seiner persönlichen Integrität hat der Spitzenkandidat seiner Partei die Tür zur Staatskanzlei geöffnet. »Und wenn sie es geschickt anfasst, dann kann sie zur Thüringer Landespartei werden.« Das sieht man in der »Thüringer Allgemeinen« aber offenbar anders. Oder will es anders sehen. Beziehungsweise möchte, dass es anders gesehen wird. Vom Wähler. Und deshalb wird jetzt in Thüringen gestritten.
Denn was da in der »Thüringer Allgemeinen« erschienen ist, immerhin also in einer der auflagenstärksten Regionalzeitungen, hat mit Ramelow vor allem insoweit zu tun, als dass sie dessen Leben zum Behälter einer politischen Berichterstattung macht - die sich im ersten Teil auffallend ausführlich mit der DKP in Marburg befasst. »Wer war er, bevor er ins nachrevolutionäre Erfurt kam?«, fragt das Blatt. Orakelt von einer Mitgliedschaft in der DKP, schränkt ein, nachdem sich der Gedanke beim Leser schon festgesetzt hat - »offenbar nicht. Es gibt keine Belege dafür« - und hat zum Glück noch eine zweite Frage parat: »Hegte Ramelow Sympathien für die eher braven Kommunisten im Westen? Offensichtlich ja.« Gruselstoff für den ostdeutschen Leser, so kann man das interpretieren. Bodo Ramelow jedenfalls ist wenig begeistert.
Dafür gibt es Gründe. Denn nach Darstellung des Linkenpolitikers hat die »Thüringer Allgemeine« auch noch schlecht recherchiert. In einem langen Brief an Autor und Chefredakteur hat Ramelow das begründet, er spricht von »einigen groben Fehlern«. Und nachdem es nun einige Male hin und her ging zwischen ihm und der Zeitung, hat Ramelow am Dienstag von der »Thüringer Allgemeinen« verlangt, eine ganze Reihe von Behauptungen zu unterlassen. Es geht um DDR-Besuche, um die Frage, ob Ramelow an der Beerdigung von Wolfgang Abendroth teilgenommen habe, um die Frage, ob er Lehrling in Marburg war und welche Konsequenzen die Form von Legasthenie hat, über die Ramelow sich keineswegs ausschweigt. Es geht um Bilder mit dem Papst und Ramelows politisches Agieren in der Thüringer Linken. Ramelow selbst spricht von »Wundern in meiner Biografie«.
Man mag das für Kinkerlitzchen halten, man kann aber ebenso gut nachvollziehen, dass Ramelow sich ausbedingt, sich sein Leben wenn schon dann richtig erzählen zu lassen. Dass die »Thüringer Allgemeine« die auf mehrere Teile angelegte Reihe mit einem DKP-Stück beginnt, ist das eine. In Schreiben an die Zeitung haben Leser und vom Autor Befragte die Darstellung kritisiert und sich an »ein Gebräu« erinnert gefühlt, »das nach der antikommunistischen Suppenküche des vergangenen Jahrhunderts riecht«. Das andere ist, dass das Biografiestück Ende August noch als E-Book erscheinen soll. Ramelow will die Falschdarstellungen, so heißt es in einem Schreiben an die »Thüringer Allgemeine«, nicht stehen lassen. Er behalte sich auch gerichtliche Schritte vor. tos
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