Eine ordentliche Portion Rassismus

Studie offenbart die Einstellungen vieler Deutscher zu Sinti und Roma

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Sie bleiben die unbeliebteste Minderheit in Deutschland: Sinti und Roma haben mit heftigen Vorurteilen zu kämpfen. Dies belegt ein Blick in die Erhebung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

Das Ganze erinnert in makaberer Weise an eine dieser Fernsehshows, wo Zuschauer über die beliebtesten Schauspieler oder Filme abstimmen dürfen. Die von Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) beauftragten Sozialwissenschaftler wollten von einer repräsentativen Auswahl deutscher Bürger wissen, welcher Gruppe von als «Ausländern» wahrgenommen Menschen sie die größten Antipathien entgegenbringen. Und siehe da: Die bei den Deutschen unbeliebteste Gruppe sind die Sinti und Roma. Noch vor Schwarzen, Juden, Muslimen oder Asylbewerbern.

So verwundert es nicht, dass jeder dritte Befragte keine Sinti und Roma in der Nachbarschaft will. Zudem ist jeder Zweite der Meinung, dass Sinti und Roma durch ihr Verhalten, die ihnen entgegenschlagende «Feindseligkeit in der Bevölkerung» selbst hervorrufen. Dieselben Werte erreichen übrigens auch Muslime.

Dies sind nur einige der traurigen Ergebnisse der am Mittwoch in Berlin veröffentlichten Studie: «Zwischen Gleichgültigkeit und Ablehnung - Bevölkerungseinstellungen gegenüber Sinti und Roma». Die Erhebung untersucht «Vorurteile gegenüber Europas größter Minderheit sowie das Wissen über diese Minderheit» und gibt «Empfehlungen zum Abbau von Diskriminierungen». So jedenfalls das selbstgesteckte Ziel.

Der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, weiß, wer eine Mitverantwortung für das schlechte Image der eigentlich sehr heterogenen Gruppe trägt: «Maßgebliche Politiker nutzen in der Debatte um angebliche Armutszuwanderung wider besseres Wissen das Feindbild von Roma aus und instrumentalisieren damit einen massiven Antiziganismus.» Erst in der vergangenen Woche hatte das Bundeskabinett mit viel Tamtam eine Gesetzesinitiative gestartet, die Armutsmigranten aus Osteuropa - gemeint sind Sinti und Roma - fernhalten soll.

Romani Rose erneuerte am Mittwoch seine Forderung an den Deutschen Bundestag, endlich eine Expertenkommission zum Antiziganismus in Deutschland einzusetzen. Diese solle einmal pro Legislaturperiode dem Parlament einen Bericht vorlegen.

Die Studie zeigt, wir dürftig das konkrete Wissen um die Minderheit ist. Nur die Hälfte der Befragten kann die Anzahl der in Deutschland lebenden Sinti und Roma zwischen 100 000 und 250 000 richtig schätzen. Über 16 Prozent taxieren den Wert auf 500 000. Das entspricht in etwa der Zahl der von den Nazis ermordeten Sinti und Roma. Da ist es um so bedenklicher, dass in der Gruppe der 25 bis 34-Jährigen jeder Dritte nicht weiß, dass die «Zigeuner» im «Dritten Reich» blutig verfolgt wurden. Nicht einmal 30 Prozent der Befragten meinen, dass das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma «äußerst angemessen» ist. Ein nicht geringer Teil streitet zudem ab, dass die Bundesrepublik gegenüber den Sinti und Roma eine historische Verantwortung hat.

Interessant auch das ebenfalls abgefragte Bild, das sich die Deutschen von den Sinti und Roma machen. Während jeder Dritte meint, die Gruppe im Straßenbild erkennen zu können, insbesondere an «Kleidung und Schmuck», traut man ihnen ansonsten nicht viel zu. Auf die Frage, welche Berufe man Sinti und Roma zuordnen würde, machten nur 22 Prozent ihr Kreuzchen bei der Spalte «Lehrer». Dafür kommen «Musiker» und Schausteller« auf jeweils mehr als 80 Prozent.

Und auch bei den zugeschriebenen Merkmalen scheint das eine oder andere Vorurteil durch: 20 Prozent halten sie für »exotisch«, 15 Prozent für »kriminell« und 13 Prozent für »verwahrlost«.

Interessant auch, welche »Vorschläge« die Befragten für ein »gutes Zusammenleben« als hilfreich ansehen. Gleich nach »Integrationsangeboten« und »Freiem Zugang zum Arbeitsmarkt« kommen »Bekämpfung von Leistungsmissbrauch«, »Kriminalitätsbekämpfung« und »Einschreiten der Jugendämter«. Immerhin 50 Prozent halten »Einreisebeschränkungen« für ein probates Mittel, um das Zusammenleben zu verbessern.

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