Sieben Tage, sieben Nächte

Gabriele Oertel über eine Umfrage zu den Sorgen und Befürchtungen der Deutschen

  • Gabriele Oertel
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Bundesbürger sind so entspannt wie lange nicht mehr, fand eine Studie mit dem einnehmenden Titel »Die Ängste der Deutschen« in dieser Woche heraus. Lediglich um steigende Lebenshaltungskosten, Umweltgefährdungen wie Stürme und Erdbeben sowie die Gesundheit und mögliche Pflegefälle machen sie sich demnach ernsthaft und mehrheitlich Sorgen. Weniger als 40 Prozent haben Angst vor Gefahren von außen, nur ein Drittel sorgt sich um Kriege mit deutscher Beteiligung. Wenn stimmt, was eine Versicherung herausgefunden hat, die derlei Befragungen seit 1992 unter 2500 Bundesbürgern durchführt, kann einem - bei allem Verständnis für die eigenen Befindlichkeiten - Angst und Bange werden.

Offenbar haben sich die meisten unserer Zeitgenossen schon so an all das Beängstigende um uns herum gewöhnt, dass sie sich inzwischen nur noch auf sich selbst und ihre Familie besinnen - sie sind in übergroßer Mehrheit immun geworden gegen alle Bedrohungen, die sie allerdings nur scheinbar nicht direkt tangieren. Und offenbar sind wir, die wir in dieser Zeitung alle Tage dennoch über diese beängstigenden Entwicklungen in aller Welt berichten, wie auch unsere Leser längst ausgebürgert, weil wir entgegen dem Trend allgemeiner Entspanntheit »der Deutschen« stehen. Denn selten war im »nd« - in Berichterstattung wie Leserbriefen - ein Sommer so von großen Ängsten geprägt wie der zu Ende gehende.

Und die sind keineswegs etwa Zeichen der berühmt-berüchtigten »German Angst« oder reißerisch herbeigeschrieben. Sie haben wahrlich genug Anlässe: ein über 50-tägiger Krieg in Gaza, die Ukraine-Russland-Krise, Flüchtlingsdramen an der EU-Grenze, die Feldzüge diverser Islamisten in vielen Ländern, die Ebola-Seuche in Afrika - tägliche Nachrichten von Tausenden und Abertausenden Toten also und Bilder, die einem die Tränen in die Augen trieben und treiben. Und wem all dies ob der Entfernung nicht zum Fürchten reichte, der konnte Beängstigendes durchaus auch in direkter Nähe ausmachen. Oder hat etwa der Tabubruch in der deutschen Außenpolitik, ein Bundespräsident mit Russophobie, die steigende Akzeptanz für die Rechten im Biedermeierlook oder die sinkende Akzeptanz für Minderheiten nicht das Zeug dazu, besorgt in die Zukunft schauen zu lassen? Freilich kann man die Ignoranz von all dem oder die bewusste Abkopplung nicht 2500 befragten Menschen allein vorwerfen. Für diese Tendenz des Wegschauens gibt es Verantwortliche, die im atemberaubenden Wechselspiel von abstoßendem Alarmismus und einlullender Besänftigung durchaus »erfolgreich« gearbeitet haben. Immerhin fiel der Studie zufolge auch die Sorge um eine Überforderung der Politiker auf ein Rekordtief. Da können die sich ja auch völlig entspannt zurücklehnen. oer

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