Thüringen: DGB fordert Ende des Sparkurses
In keinem anderen Land seien öffentliche Ausgaben so stark gesunken wie im Freistaat / Gewerkschafter rufen zur Wahl der Linkspartei auf
Berlin. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat ein Ende der Kürzungen von öffentlichen Ausgaben in Thüringen gefordert und zugleich CDU-Finanzminister Wolfgang Voß attackiert. »Wir fordern die Landesregierung auf, sich von diesem Sparkurs abzuwenden und den Realitäten ins Auge zu schauen«, sagte die DGB-Vorsitzende im Bezirk Hessen-Thüringen, Gabriele Kailing, am Freitag in Erfurt. In keinem anderen Land seien die öffentlichen Ausgaben so stark gesunken wie hier. Dadurch fehle Geld für Zukunftsinvestitionen. Die Ausgaben im Landeshaushalt seien seit der Jahrtausendwende durchschnittlich um 0,6 Prozent jährlich gesunken, sagte Kailing. Ähnlich sei die Lage bei den Kommunen. Diese Kürzungen ließen sich vielerorts längst nicht mehr übersehen. Öffentliche Gebäude und Straßen beispielsweise seien oft in einem schlechten Zustand.
Kailing bezog sich bei ihrer Kritik auf eine DGB-Studie zu den Landes- und Kommunalfinanzen in Thüringen. Autor Kai Eicker-Wolf warf Voß vor, im Zusammenhang mit den öffentlichen Haushalten »ökonomischen Unsinn« zu verbreiten. Beispielsweise sei es irreführend, für Thüringen eine Investitionsquote von etwa 13 Prozent zu loben, wie Voß das jüngst getan habe, sagte Eicker-Wolf. Für aussagekräftige Beurteilungen zur Investitionsquote müssten Sachausgaben des Landes an der Wirtschaftskraft Thüringens gemessen werden. Unter diesem Gesichtspunkt sei diese Quote im Freistaat von etwa 1,1 Prozent im Jahr 2000 auf aktuell etwa 0,5 Prozent gesunken.
Voß zeigte kein Verständnis für die Vorwürfe der Gewerkschaft. »Ein Land mit einem Schuldenstand von 16 Milliarden Euro aufzufordern, weitere Schulden zu machen, das ist der eigentliche ökonomische Unsinn«, sagte der Minister. Für seine finanzpolitischen Erfolge werde der Freistaat bundesweit gelobt. Es sei bekannt, dass Thüringen ab 2020 kein Geld mehr aus dem Solidarpakt II erhalten werde. »Darauf stellen wir uns ein - ohne neue Schulden.« Der DGB versuche eine Woche vor der Wahl »mit billigem Populismus die Bevölkerung in die Irre zu führen.«
Zustimmung zur Analyse kam von den Linkspartei. »Nur durch eine gerechtere Steuerpolitik, wie zum Beispiel mit der Wiedererhebung der Vermögenssteuer, kann die Einnahmeseite der öffentlichen Haushalte nachhaltig erhöht werden«, sagte der kommunalpolitische Sprecher der Linke-Fraktion im Landtag, Frank Kuschel.
Derweil haben sich Gewerkschafter in einem Aufruf für die Wahl der Linkspartei ausgesprochen. »Die bis 2009 durch die CDU-geführten Landesregierungen betriebene Niedriglohnpolitik wurde seit 2009 auch mit der Förderpolitik der Großen Koalition nur in Teilbereichen überwunden«, heißt es in einem Appell. Thüringen brauche einen Politikwechsel hin zu ökologisch und sozial verantwortlicher Wirtschafts- und Sozialpolitik. Die Unterzeichner sprechen sich überdies für eine Landespolitik aus, »die demokratische Mitbestimmung in Unternehmen und im Öffentlichen Dienst fördert und die Gewerkschaften, Berufsverbände und die Vertretungen der Beschäftigten und Bediensteten als gleichberechtigte Partner begreift und behandelt«. SPD und Grüne wollten »einen Regierungswechsel«, so die Gewerkschafter. »Wir wollen auch einen Politikwechsel.« Dies gehe nur mit einer starken Linkspartei. dpa/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.