Der Crash ist nicht in Sicht

Christian Christen über Wirtschaftssanktionen gegen Russland und eine »apokalyptische« Krisenanalyse. Eine Antwort auf Tomasz Konicz

  • Christian Christen
  • Lesedauer: 3 Min.

An gleicher Stelle hat Thomas Konicz einige Aspekte der ökonomischen Reaktion des Westens auf den Krieg in der Ukraine genannt. Wirtschaftssanktionen wirken immer in beide Richtungen, führt er richtig aus. Insbesondere, da Russland und die EU ökonomisch eng verbunden sind.

Die überspannende Klammer ist die Lieferung von Gas, Öl und mineralischen Rohstoffen aus Russland. Sie sind für die europäische Industrie zentral. Die Einnahmen bildeten die Finanzbasis der russischen Ökonomie. Diese wechselseitige Abhängigkeit war für Unternehmen, Finanzdienstleister und Anleger aus Europa über zwei Jahrzehnte von Vorteil. Relativ reibungslos stieg der Export aus der EU und die Märkte konnten vor Ort aufgeteilt werden. Industriell ist Russland unterentwickelt, die Infrastruktur marode und bei Forschung und Entwicklung abgeschlagen. Dafür konnten aber zahlungskräftige Russen in Europa auf Einkaufstour gehen. Parallel verschuldeten sich russische Unternehmen und Bankhäuser bei europäischen Finanzinstituten und Anlegern, die deren Aktien und Anleihen erwarben.

In einer solchen Konstellation schießt sich Europas Elite mit Sanktionen stets ins eigene Knie und trifft immer auch die heimischen Unternehmen, Finanzdienstleister und Beschäftigten. Zumal die Gegenmaßnahmen längst nicht ausgereizt sind. Der Aufruf von Landeswirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU), den negativen Auswirkungen des russischen Lebensmittelembargos unter anderem durch den Konsum von mehr Äpfeln zu begegnen, wird kaum helfen.

Europas Perspektive wird mit den Sanktionen sicher nicht besser. Das Wachstum in der EU ist seit Jahren gering und die Industrieproduktion sinkt. Dafür steigen Unternehmensinsolvenzen, Massenarbeitslosigkeit und die Staatsverschuldung. Der besonders von der Bundesregierung verfolgte wirtschafts- und finanzpolitische Kurs für Europa ist gescheitert und die Deflationskrise kaum mehr zu leugnen. Auch die Aussichten der russischen Wirtschaft sind trüb. Das Land befindet sich seit langem im konjunkturellen Tief und steckt in der Rezession. Ursächlich sind aber nicht die Sanktionen, sondern die desolate Wirtschaftsstruktur und der industrielle Kahlschlag seit den 1990er Jahren.

Doch die von Konicz abgeleitete kommende globale Wirtschaftskrise aus dem Dreischritt Rückgang der Weltkonjunktur, Wirtschaftskrieg gegen Russland und Platzen der durch »Gelddruckerei« verursachten Liquiditätsblasen bleibt fragwürdig. Er weiß darum, denn vieles ist im Konjunktiv geschrieben. Die Tonlage ist seit Ausbruch der Wirtschafts- und Finanzkrise 2007/08 in vielen linken Debatten bekannt. Im Detail richtige ökonomische Betrachtungen kippen am Ende in eine »apokalyptische Wertung«, die sich nicht einfach aus Fakten automatisch ergeben. Hier ist der Wunsch oft Vater des Gedanken. So wird aus konjunkturellen Zyklen, den ungelösten sozialen und ökonomischen Problemen ein ums andere Mal der globale Crash vorhergesagt.

Das Weltwirtschaftswachstum für 2014 wird (noch) mit rund drei Prozent prognostiziert - trotz konjunktureller Rückschläge in Asien und den USA, insgesamt zu geringen Investitionen und wachsender Unterschiede in der Verteilung von Einkommen und Vermögen. Problem Nummer eins bleiben die Länder der Eurozone. Sie rangieren am unteren Ende der Weltwirtschaft. Inwieweit aus dem »Wirtschaftskrieg« zwischen EU und Russland massive Probleme für die europäische Ökonomie resultieren und dies gar das Ende der Eurozone einläutet, ist nicht auszumachen. Ebenso wenig ob und wie ein solches Szenario in einen globalen Crash mündet.

Kritische politökonomische Analysen sollten sich davor hüten, den Crash bei jeder neuen Krisenkonstellation aus dem Hut zu zaubern. Das ist weder überzeugend, noch ist es notwendig, um die himmelschreienden Probleme im real existierenden Kapitalismus zu benennen.

Der Text von Konicz ist im Internet nachzulesen: dasND.de/krisenanalyse

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