Attacken auf Moschee in Mölln
350 Menschen protestierten und erinnerten an 1992
Die Zahl der Anschläge auf Moscheen in Deutschland ist sprunghaft gestiegen, eine allgemeine gesellschaftliche Empörung findet kaum statt. Betroffen sind nicht nur größere Städte wie Berlin, Bielefeld, Oldenburg, auch in kleineren Orten wie Mölln in Schleswig-Holstein gibt es derartige Vorfälle. Solch schändliche Taten treffen die Kleinstadt mit ihren knapp 19 000 Einwohnern bis ins Mark, erinnert man sich doch an die von Neonazis verübten Brandanschläge im November 1992. Damals starben drei türkische Frauen, ihr Tod hatte seinerzeit auch außerhalb Deutschlands Entsetzen ausgelöst.
Und nun ist Mölln erneut im Schockzustand: Zweimal kurz hintereinander haben Unbekannte die Fatih-Sultan-Moschee unweit der örtlichen Polizeistation attackiert. Mitte August wurde die Eingangstür mit Gammelfleisch beworfen, nur zwei Wochen später hat jemand in den Zwischenflur uriniert und Fäkalien hinterlassen. Aus Solidarität mit Moschee und Muslimen kamen nun am Samstag über 350 Teilnehmer zu einer Kundgebung zusammen, darunter der türkische Generalkonsul aus Hamburg Mustafa Fatih Ak und Schleswig-Holsteins Landtagspräsident Klaus Schlie (CDU).
Möllns Bürgermeister Jan Wiegels (SPD) spricht von einer Provokation gegen das friedliche und harmonische Zusammenleben aller Möllner Bürger. Innerhalb kürzester Zeit wurden über 200 Solidaritätsunterschriften gesammelt, die Wiegels dem Vertreter der betroffenen Möllner Moschee, Ibrahim Ayhan, überreichte. Er kündigte an, dass auf der Homepage der Stadt weitere Unterschriften geleistet werden können.
Sedat Simsek, Nord-Vorsitzender des Dachverbandes DITIB der Türkisch-Islamischen Union, richtete mahnende wie anklagende Worte an die Zuhörer: »Müssen wir immer erst dann hinschauen, wenn bereits die ersten Toten zu beklagen sind?« Die rund 2000 Moscheen in Deutschland wollen am 19. September zu einem Tag der offenen Tür einladen und dabei ein Zeichen gegen Extremismus, Intoleranz und Gewalt setzen, kündigte Simsek an. Cebel Kücükkaraca, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde Schleswig-Holstein, forderte von Polizei und Ermittlungsbehörden eine intensive Verfolgung der Täter.
Auch wenn es bisher keine Bekennerschreiben gibt, weist zumindest die erste Attacke auf Täter im Nazi-Milieu: Sie fiel just in die Zeit um den Todestag von Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß. Und auch beim zweiten Vorfall ist nicht davon auszugehen, dass jemand nur mal eben seine Notdurft verrichten wollte.
In Mölln selbst gibt es dem Vernehmen nach keine auffällige rechte Szene. In antifaschistischen Kreisen wird allerdings Tanja Steinhagen-Wolf als aktive Neonazi-Kaderfrau beschrieben. Sie soll der Gemeinschaft Deutscher Frauen vorstehen, die ihren offiziellen Sitz im sogenannten Neonazi-Thinghaus von Grevesmühlen hat. Ferner wird Steinhagen-Wolf dem Rechtsrock-Umfeld zugerechnet. Im Kreis Herzogtum Lauenburg ist Beobachtern zufolge die NPD bemüht, mit ihrem neuen Kreisvorsitzenden Simon Haltenhof neue Aktivisten zu rekrutieren und eigene Strukturen zu festigen.
Zum Gedenken an die Opfer des Möllner Brandanschlages in der Nacht zum 23. November 1992 wird am Jahrestag auch diesmal eine Kundgebung in der Kleinstadt stattfinden. Und bereits für den 12. September ist im Lübecker Klub »Treibsand« ein Soli-Konzert mit Musikern aus Berlin, Hamburg, Bremen und Griechenland geplant.
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