Prozess gegen mutmaßliche Bonn-Bomber

360 Aktendeckel, 150 Zeuginnen und Zeugen: Beteiligte rechnen mit zwei Jahren Verfahrensdauer

  • Lesedauer: 3 Min.
In Düsseldorf stehen vier Männer wegen des mutmaßlichen Terroranschlags auf den Hauptbahnhof Bonn vor Gericht. Die Verteidiger halten die Anklage für dürftig: Die Bombe sei nur Attrappe gewesen.

Düsseldorf. Unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen hat am Düsseldorfer Oberlandesgericht der Prozess zu dem versuchten Bombenanschlag auf den Bonner Hauptbahnhof vor knapp zwei Jahren begonnen. Die Verhandlung gegen vier mutmaßliche islamistische Terroristen, denen auch ein Mordkomplott gegen einen rechtsextremen Politiker vorgeworfen wird, startete am Montag mit mehr als einer Stunde Verzögerung. Mehrere Verteidiger hatten schon vor Beginn der Sitzung Befangenheitsanträge gegen den Senat gestellt.

Die Bundesanwaltschaft wirft dem Hauptangeklagten Marco G. (27) vor, im Dezember 2012 als Alleintäter eine Bombe im Bonner Hauptbahnhof abgestellt zu haben. Der Sprengsatz explodierte aber nicht. Dem zum Islam konvertierten Deutschen aus dem niedersächsischen Oldenburg droht eine lebenslange Haftstrafe wegen versuchten Mordes.

Zusammen mit Enea B. (44), Koray D. (25) und Tayfun S. (24) soll G. zudem an einem im März 2013 vereitelten Mordkomplott gegen den Vorsitzenden der rechtsextremen Partei Pro NRW beteiligt gewesen sein. Die Anklage wirft den vier Männern Bildung einer terroristischen Vereinigung und Verabredung zum Mord vor.

Das Oberlandesgericht in Düsseldorf steht vor einem langen Verfahren. Der Strafsenat unter Vorsitz von Richter Frank Schreiber hat zunächst 55 Verhandlungstage bis zum April 2015 bestimmt. Geladen sind 150 Zeuginnen und Zeugen. Die Prozessakten umfassen 360 Ordner. Verfahrensbeteiligte rechnen mit einer Prozessdauer von zwei Jahren.

Die Verteidiger des Hauptangeklagten griffen die Anklageschrift scharf an. »Ich halte die Qualität der Anklage für äußerst gering«, sagte Rechtsanwalt Peter Krieger vor Prozessbeginn. »Das war eine Bombenattrappe, keine Bombe. Die Behauptung, man sei an einem Blutbad vorbeigeschrammt, ist falsch.«

Verteidiger Mutlu Günal argumentierte, auch das Bundeskriminalamt gehe nicht von einer echten Bombe aus. Der Inhalt der Bombe »hätte niemals in die Luft gehen können«.

Marco G. soll den Sprengsatz in Bonn gebaut und am 10. Dezember 2012 in einer blauen Nylontasche auf dem Bahnsteig abgestellt haben. Was allerdings fehlt, ist der Zündmechanismus der Bombe. Die Bundesanwaltschaft geht dennoch davon aus, dass der Sprengsatz keine Attrappe war. »Es gab die klare Absicht zu töten«, hieß es aus Ermittlerkreisen.In einem Umkreis von etwa drei Metern hätte die Rohrbombe Menschen getötet.

Nachdem die Islamische Bewegung Usbekistan (IBU) in einem Internet-Video zum Mord an Pro-NRW-Politikern aufrief, soll G. mit seinen Komplizen eine terroristische Vereinigung gegründet und begonnen haben, den Parteivorsitzenden Markus Beisicht auszuspähen. Die Männer sollen Beisichts Wohnhaus ausgekundschaftet und zwei Schusswaffen und Schalldämpfer besorgt haben.

Erst die Festnahme in Leverkusen brachte den Durchbruch bei den Ermittlungen in Sachen Bonner Bombe: Am Rohr, in das der Sprengstoff gefüllt war, wurde die DNA eines Kindes von Marco G. gefunden - am Wecker, der wohl als Zeitzünder dienen sollte, die DNA seiner Frau. Erst mit dem DNA-Abgleich des in Leverkusen Festgenommenen kam heraus, dass es sich um Spuren seiner Angehörigen handelt.

Pro-NRW-Chef Markus Beisicht wollte als Nebenkläger an dem Prozess teilnehmen. Doch seinen Auftritt lehnte der Strafsenat ab: Dafür gebe es keine rechtliche Grundlage, hieß es zur Begründung. Seine Beschwerde gegen die Entscheidung verwarf der Bundesgerichtshof als unzulässig. Vor Prozessbeginn demonstrierte Beisicht mit Gesinnungsgenossen in der Nähe des Gerichtsgebäudes. dpa/nd

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