Führungskampf zwischen Fatah und Hamas

Nach dem Gaza-Krieg wachsen erneut die Streitpunkte zwischen den größten palästinensischen Organisationen

  • Oliver Eberhardt, Jerusalem
  • Lesedauer: 3 Min.
In Palästina ist der Machtkampf zwischen Hamas und Fatah neu entbrannt: Beide werfen sich vor, die Einheitsregierung zu torpedieren; die geplanten Wahlen stehen auf der Kippe.

In diesen Tagen ist er wieder ganz Staatsmann: Mal im Gespräch mit dem Emir von Katar, mal am Telefon von US-Außenminister John Kerry, um über Waffenstillstände zu sprechen und die Zukunft von Gaza, wie seine Sprecher dann stets sagen, zuletzt war Präsident Mahmud Abbas wieder mal in Kairo, zum Gespräch mit dem dortigen Staatschef Abdel Fattah al-Sisi. Abbas meldete dort den Anspruch seiner Regierung auf eine Führungsrolle im Gaza-Streifen an, während er gleichzeitig die palästinensische Einheit beschwor.

Eine Einheit, die es in diesen Tagen längst nicht mehr gibt: Etwas mehr als drei Monate, nachdem sich die Fatah von Abbas und die Hamas auf die Bildung einer Einheitsregierung ohne direkte Beteiligung von Hamas-Politikern geeinigt hatten, befinden sich beide Seiten wieder in offener Konfrontation zueinander.

So wirft die Hamas der Regierung in Ramallah vor, gegen die Einheit zu arbeiten: Während Abbas in Kairo weilte, wurden im Westjordanland Dutzende, die der Hamas nahe stehen, von palästinensischen Sicherheitskräften festgenommen oder vorgeladen. »Es ist ganz eindeutig, dass die Fatah unsere Organisation so weit schwächen will, wie es nur irgendwie geht; das aber wird sie nicht schaffen«, sagt Ismail Hanijeh, der bis Juni offiziell Hamas-Regierungschef im Gaza-Streifen war, und es de facto auch weiterhin ist.

Im Büro von Abbas kontert man, die Hamas habe »einen Putsch« gegen Abbas geplant; Beweise will man aber nicht vorlegen, »aus Gründen der nationalen Sicherheit«. Die Hamas habe zudem während des Krieges gut 300 Mitglieder der Fatah unter Hausarrest gestellt. Außerdem betreibe die Hamas im Gazastreifen eine »Schattenregierung«; die überwiegend in Ramallah ansässigen Minister hätten so gut wie keinen Einfluss auf die Arbeit der Ministerien vor Ort.

Aber dies war nie anders, seitdem die Hamas im Sommer 2007 am Ende von bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen im Gaza-Streifen die Macht übernommen hatte. Zwar wurden im Juni einige tausend Polizisten der palästinensischen Regierung in Ramallah in die Gaza-Sicherheitskräfte integriert, wurde mit Abdallah Frangi ein Fatah-Gouverneur für Gaza benannt. Doch der Einfluss Frangis ist ebenso minimal wie der der Regierungsmitglieder.

Vor allem, wenn es um Fragen des Verhältnisses zu Israel geht, wird die Führung in Gaza immer wieder vom Politbüro ausgebremst. So blockierte Khaled Maschaal, Chef des Politbüros, in mindestens zwei Fällen während des Krieges einen Waffenstillstand, nachdem die Gaza-Führung bereits zugestimmt hatte. Möglich ist das, weil der militärische Flügel der Hamas, die Essedin-al-Kassam-Brigaden, dem Politbüro direkt untersteht. Ihre Kommandeure gelten als die wahren Machthaber in Gaza.

Bislang hatte die Kassam-Führung diese Macht sparsam eingesetzt: Man sagte Mohammad Deif, dem Oberbefehlshaber der Brigaden, nach, er habe keinerlei Ambitionen, in die Politik zu gehen. Doch nach einem Luftangriff, bei dem unter anderem seine Frau und zwei seiner Kinder getötet wurden, ist sein Schicksal unbekannt - und damit auch die Frage, wie viel Einfluss die Brigaden nun, nach einem Krieg, der aus Sicht vieler Palästinenser mit einem Sieg für die Kampfgruppen im Gaza-Streifen ausgegangen ist, für sich beanspruchen werden.

Die internationale Gemeinschaft und auch Israel möchten, dass Sicherheitskräfte Ramallahs künftig so viele hoheitliche Aufgaben in Gaza wahrnehmen, wie möglich. Das aber ist vor dem Hintergrund des erneuten Machtkampfes unwahrscheinlich geworden. Hinzu kommt aber auch, dass der Krieg Abbas zumindest im Moment noch weiter geschwächt hat: Teil des Einheitsdeals war auch gewesen, zum Jahresende hin die längst überfälligen Wahlen abzuhalten. Einer Umfrage zufolge würde Abbas, sollte sein Gegenkandidat Ismail Hanijeh heißen, haushoch verlieren.

Doch in Ramallah sind sich die Fatah-Funktionäre auch darüber einig: Man könne nicht länger warten, heißt es, sonst würde die Partei insgesamt geschwächt. Und so droht in der Fatah ein interner Machtkampf: Man möchte gerne Abbas loswerden.

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