Ohne roten Faden

Umweltschutzverband NABU stellt der Großen Koalition nach einem Jahr maues Zeugnis aus

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein neues Programm soll Deutschlands Flüsse schützen. Doch in Sachen Klimaschutz und Umweltverträglichkeit der Energiewende hat die Politik noch einiges zu leisten.

Eigentlich könnte Olaf Tschimpke zufrieden sein. «Wir hatten ein erfolgreiches Jahr 2013», sagte der Präsident des Umweltschutzverbandes NABU bei der Vorstellung des Jahresberichts des Vereins am Donnerstag in Berlin. Erst vor kurzem konnte der NABU sein 500 000. stimmberechtigtes Mitglied feiern, hinzu kommen rund 40 000 Fördermitglieder. «Das zeigt, dass das Thema Umwelt- und Naturschutz in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist», so Tschimpke. Doch anscheinend kommt davon nur wenig in der Politik an.

Schon die Neuvergabe der EU-Kommissionsposten erregt die Gemüter der Umweltschützer: «In entscheidenden Fällen wurde da der Bock zum Gärtner gemacht», meint der NABU-Präsident. Besonders der neue Umweltkommissar regt ihn auf. Es ist Maltas Tourismusminister Karmenu Vella. Der Inselstaat sei «ein Kernland der illegalen Vogeljagd auf den Zugflugrouten», erklärt Tschimpke. Seit Jahren veranstalten die Naturschützer deswegen Vogelschutzcamps auf der Insel.

Zumindest auf Bundesebene hat der NABU Tschimpke zufolge einen kleinen Erfolg errungen, auch wenn für ihn der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD in Sachen Umweltschutz «nicht sehr ambitioniert» sei. Immerhin wurde das «Blaue Band» «mühevoll herein verhandelt». Dies soll ein Programm zur Förderung der Renaturierung von Flüssen und Auen sein. Bisher seien die Überlegungen dafür aber «nicht über die Arbeitsebene hinaus gekommen». Tschimpke fordert ein «zeitnahes, strukturierte und finanziell gesichertes Konzept.

In dieselbe Kerbe schlägt auch der 32. Deutsche Naturschutztag (DNT), der vergangenen Donnerstag in Mainz mit der Verabschiedung eines Positionspapiers zu Ende ging. Darin wird neben einem nationalen Schutzgebietsprogramm und dem konsequenten Schutz von Tier- und Pflanzenarten gefordert, dass die »Anstrengungen für einen vorsorgenden Hochwasserschutz« verstärkt werden.

Auch sind sich DNT und NABU einig, dass Umweltinitiativen im geplanten Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende eine wichtige Stimme sein sollen. Doch der NABU befürchtet, dass das als Clearingstelle von Konflikten zwischen ökonomischen Interessen und Naturschutzbelangen gedachte Kompetenzenzentrum Gefahr läuft, durch die vom Bundeswirtschaftsministerium beanspruchte Federführung zum verlängerten Arm der Wirtschaftslobby zu werden.

Dass Klima- nicht immer gleich Umweltschutz ist, zeigt indes das Beispiel des westlich von Sylt gelegenen Offshore-Windparks »Butendiek«. Dieser liegt inmitten zweier Schutzgebiete für Schweinswale und Seevögel. Nachdem die Bauarbeiten für den Kraftwerkspark auch während der Fortpflanzungszeit nicht eingestellt wurden, mussten Wissenschaftler im Juni feststellen, dass fast jeder zweite Meeressäuger aus dem Umfeld von »Butendiek« verschwunden ist.

Letzten Endes, meint NABU-Chef Tschimpke, fehle der schwarz-roten Koalition in Sachen Klima- und Umweltschutz ein »roter Faden, ein stringentes Programm für mehr Nachhaltigkeit, mit dem etwa umweltschädliche Subventionen für Landwirtschaft, Energie und Verkehr reduziert werden«. So kritisierte er auch die derzeitigen Pläne zur Einführung einer Pkw-Maut als ein »unsinniges Projekt« ohne jegliche Lenkungswirkung, da es »Vielfahrer genauso stark belastet wie Wenigfahrer«. Ein sinnvolles Projekt zur Eindämmung der CO2-Emissionen im Verkehr sei hingegen die Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Lkw und alle Straßen.

Macht die Bundesregierung klimapolitisch so weiter wie bisher, schätzt Tschimpke, wird sie die selbstgesteckten Klimaziele verfehlen. 40 Prozent weniger CO2-Emissionen bis zum Jahr 2020 sind geplant. Mit den bisherigen Maßnahmen würden es »knapp über 30 Prozent« werden.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!