Überflüssiger Schutz der Anleger

Kleinanlegerschutzgesetz könnte das Crowdfunding hart treffen

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht - diese alte Weisheit zeigt bei der Regulierung der Finanzmärkte ihre ganze Tücke.

Das gescheiterte Windkraftunternehmen Prokon scheint an allem Schuld zu sein. Auf die Pleite im Frühjahr antwortete die schwarz-rote Bundesregierung im Hochsommer mit einem Schnellschuss, dem Kleinanlegerschutzgesetz. »Jüngste Fälle und Unregelmäßigkeiten bei Anbietern von Vermögensanlagen haben das Vertrauen von Anlegern in verschiedene öffentlich angebotene Finanzprodukte stark beeinträchtigt«, begründet das Bundesfinanzministerium Wolfgang Schäubles (CDU) Entwurf. Doch wo den schwarzen Schafen auf den Finanzmärkten das Leben schwer gemacht werden sollte, werden nun Nachbarschaftsinitiativen, Kitas und Anti-Hunde-Zeitschriften getroffen.

Prominentes Beispiel ist der Hamburger Journalist Wulf Beleites. Jahrelang gern gesehener Talkshowgast in deutschen Fernsehanstalten mit seiner bis dahin überhaupt nicht existierenden »Zeitschrift für den deutschen Hundefeind« startete endlich in diesem Jahr sein Lieblingsblatt. Erfolgreich. Dank »Crowdfunding«, einer Schwarmfinanzierung, bei der viele Personen kleine oder größere Geldbeträge von fünf Euro an aufwärts »investieren«, um ein Projekt ihrer Wahl zu unterstützen. Im Gegenzug gibt es oft nur eine eher symbolische Belohnung wie ein Buchpräsent oder einen Essensgutschein. Für die Zeitschrift »Kot & Köter« kamen so über 7000 Euro zusammen. Mittels Crowdfunding werden heute Ladengründungen und die Erstellung eines Bildbandes finanziert. Oder leckere Ideen wie ein Schinkenmuseum verwirklicht.

Doch damit könnte bald Schluss sein, wenn nach der Sommerpause das Kleinanlegerschutzgesetz den Deutschen Bundestag passieren sollte. Dies befürchtet ein Aktionsbündnis »Wir sind nicht Prokon«. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung gefährde Finanzierungsmodelle, die sich seit Jahrzehnten bewährt hätten, bestehende soziale Unternehmen würden mit wirtschaftlich nicht tragbaren Kosten belastet, neue Initiativen abgewürgt. Betroffen seien Wohnprojekte mit sozialverträglichen Mieten, Kollektivbetriebe, Dorfläden oder Bürgerenergieprojekte.

Aber auch kleineren Genossenschaften könnte der Schutz der Kleinanleger den Garaus machen. Mathias Fiedler, Geschäftsführer des Zentralverbandes deutscher Konsumgenossenschaften in Hamburg, hält die von der Bundesregierung geplanten Anforderungen an alternative Wirtschaftsformen einfach für »zu hoch«.

Jungunternehmer, Bürgerinitiativen und Mini-Genossenschaften, die Eigenkapital per Crowdfunding oder sogenannte Nachrangdarlehen einwerben wollen, müssten zukünftig einen aufwendigen und teuren Prospekt erstellen, wie es sonst für große Investmentgesellschaften auf dem Grauen Markt üblich ist. Jährlich müsste zudem ein Jahresabschluss mit Lagebericht erstellt und von kostspieligen Prüfern testiert werden. »Auf Klein- und Kleinstunternehmen kommen damit Bürokratiekosten zu, die sich oft in Höhe des Jahresumsatzes bewegen«, klagt Niklas Hartmann von Wohnen in Generationen, Berlin.

Schwarz-Rot plant, ihren Entwurf im Herbst zu beschließen. Noch vor Weihnachten könnte das Gesetz dann den Bundestag passieren. Axel Troost, finanzpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, will zwar den grauen Kapitalmarkt umfassender regulieren. Hierzu gibt es einen eigenen Vorschlag seiner Partei. Troost will zugleich auch »ökonomisch sinnvolle Ausnahmeregelungen für ›Bagatellfälle oder -summen‹« schaffen. Auch Kerstin Andreae, Finanzpolitikerin der Grünenfraktion, nimmt die Befürchtungen der alternativen Wirtschaft »sehr ernst«. Im Herbst wollen sich die Grünen in diesem Sinne positionieren.

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