Unmoralische Aussichten
Katja Herzberg über Barrosos Gerede über einen EU-Beitritt der Ukraine
Es ist eine seiner letzten Dienstreisen als EU-Kommissionspräsident. Da ist es wohl allzu menschlich, wenn José Manuel Barroso noch einmal »einen raushauen« will. Und so redete er jüngst in Kiew von der Möglichkeit, dass das Land, in dem gerade ein Bürgerkrieg tobt und dessen Lage zur schärfsten Krise zwischen der westlichen Welt und Russland seit Jahrzehnten geführt hat, nicht nur mit dem geplanten Assoziierungsabkommen an die EU gebunden werden sollte, sondern möglicherweise bald EU-Mitglied werden könnte.
Mit politischem Geschick hat das nichts zu tun. Barroso verhält sich schlicht unmoralisch. Gegenüber den Partnern in der EU, gegenüber dem vor noch gar nicht langer Zeit als ebensolchen geltenden Russland und am meisten gegenüber der ukrainischen Bevölkerung. Sicher, Barroso kennt sich damit aus, die von ihm definierte »europäische Nationenfamilie« zu erweitern. Während seiner Amtszeit ist die EU von 15 auf 28 Mitgliedsstaaten angewachsen. Was die Menschen, vor allem in den neuen Ländern, davon haben, verschweigt Barroso lieber. Nur zu Erinnerung: Der EU-Osten hat bei der Europawahl im Mai einen neuen Rekord bei der Nichtwahl aufgestellt.
So bleibt zu hoffen, dass Barrosos Worte nicht mehr als einen Seitenhieb auf seinen Nachfolger Jean-Claude Juncker darstellen. Der nämlich kündigte an, in den nächsten fünf Jahren kein Land in die EU aufnehmen zu wollen.
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