Stiftung Warentest fordert »fairen« Dispozinssatz von unter zehn Prozent

Kritik an »Exklusivkonten« mit hohen Kontoführungsgebühren

  • Christine Kellmann, AFP
  • Lesedauer: 3 Min.
Von der Europäischen Zentralbank (EZB) bekommen die Banken in Deutschland Geld fast umsonst - viele Kunden spüren davon nichts. Bei den Zinsen für den Dispokredit schlagen sich die Zinssenkungen nur langsam nieder.

Berlin. Die Dispozinsen sinken zwar langsam, aber die Banken haben neue Wege gefunden, um ihre Kunden zu schröpfen. So lautet das Fazit des Magazins »Finanztest«, das zum fünften Mal die Dispozinsen von Banken und Sparkassen unter die Lupe nahm. Die Situation sei für die Verbraucher nach wie vor unbefriedigend, sagte Hubertus Primus, Vorstand der Stiftung Warentest, am Dienstag in Berlin.

Der Durchschnitt aller von »Finanztest« ermittelten Zinssätze lag am 1. August 2014 bei 10,65 Prozent - nach 11,31 Prozent im Vorjahr. Da sich Banken und Sparkassen bei der Europäischen Zentralbank (EZB) Geld derzeit fast umsonst leihen könnten, sei ein zweistelliger Dispozinssatz aber »eindeutig zu hoch«, kritisierte Primus. Ein fairer Dispozins müsse deutlich unter zehn Prozent liegen.

Knapp 250 von insgesamt 1504 untersuchten Banken senkten ihren Dispozins im Vergleich zum Vorjahr um mindestens einen Prozentpunkt, wie die Untersuchung ergab. 35 Banken forderten aber immer noch einen Dispozins von 13 Prozent und mehr.

Den höchsten Dispozins von bis zu 14,25 Prozent verlangten laut »Finanztest« die Volksbank Westenholz in Nordrhein-Westfalen sowie die Raiffeisenbank Weil und Umgebung in Bayern. Den niedrigsten Dispozins hatte - wie schon 2013 - die Deutsche Skatbank mit 4,90 Prozent.

Allerdings seien die Tester auf eine »unerfreuliche Entwicklung« gestoßen, »die zwar zur Senkung des Durchschnittszinssatzes führt, aber nicht zu besseren Konditionen für die Kunden«, sagte Projektleiterin Stephanie Pallasch. So hätten zahlreiche Banken inzwischen sogenannte Premium- oder Exklusivkonten eingeführt. Diese lockten mit Extras wie einer goldenen Kreditkarte und einem niedrigeren Dispo, seien dafür aber mit Kontoführungsgebühren von bis zu 25 Euro pro Monat verbunden. Selbst wer sein Konto regelmäßig um 1000 Euro überziehe, für den sei solch ein Extrakonto nicht unbedingt die bessere Wahl, warnten die Verbraucherschützer.

Wenig verbessert hat sich ihrer Ansicht nach die Informationspolitik in puncto Dispozins. Transparenz scheine vor allem bei Volks- und Raiffeisenbanken »unerwünscht zu sein«, bemängelte Primus. In manchen Filialen seien die Preisaushänge unauffindbar, sehr viele Banken veröffentlichten den Dispozins nicht im Internet und erschwerten so einen Preisvergleich.

Auch Verbraucherschutzminister Heiko Maas (SPD) forderte mehr Transparenz von den Banken. Angesichts der weiterhin »unangemessen« hohen Dispozinsen wolle die Regierung die Banken verpflichten, Kunden, die ständig im Minus seien, eine Beratung über bessere Alternativen anzubieten, erklärte er in Berlin.

Dispo- und Überziehungszinsen müssen gezahlt werden, wenn ein Bankkunde kein Geld mehr auf dem Girokonto hat, es aber weiter belastet wird. Zunächst gewährt die Bank in der Regel einen Dispositionskredit - kurz: Dispokredit oder Dispo. Dieser ermöglicht eine begrenzte Überziehung. Limit sind oft zwei oder drei Monatsgehälter. Für Überziehungen in diesem Rahmen gilt der Dispozinssatz. Wird das Konto weiter überzogen, fallen Überziehungszinsen an. Diese liegen in der Regel mehrere Prozentpunkte höher. Allerdings wächst laut Primus die Zahl der Banken, die auf so einen Überziehungszins verzichten.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -