Und alle so »pssst«

Sarah Liebigt meint, eine Kneipe weniger ist immerhin ein Anfang

  • Sarah Liebigt
  • Lesedauer: 2 Min.

Sie fallen in Scharen über Sehenswürdigkeiten und Berliner Oasen her. Sie sitzen mit ihren Gitarren, Bierflaschen und Wodka-Matedrinks auf der Admiralbrücke. Sie sitzen dort so lange, bis sie hier Wurzeln schlagen und in die Kieze ziehen, in denen sie zwischen Kellerclub und Macaronstübchen versackten, nur um nebenan noch eine Weinstube und noch ein pseudoalternatives Lädchen aufzumachen, wo es selbstgebastelten Schmuck gibt: Ampelmännchen im Dirndl.

»Sie«, das sind »die Touristen«. Sie sind nicht aufzuhalten, verständlich, Berlin ist ja auch toll. Eröffnet Bäcker für die sich an Berliner Schrippen regelmäßig verschluckenden süddeutschen Zuzügler, und stellt in der ganzen Welt Buddybären auf, damit auch ja keiner vergisst, dass Berlin so schön bunt ist.

Sie - also die Touristen, nicht die Bären - wurden beschimpft, verspottet, an der Cafétür abgewiesen: Zuerst schlug ein Teil der (Ur)Einwohner angesichts drastisch steigender Mieten und einer Anpassung ganzer Viertel an touristische Bedürfnisse Alarm.

Nun folgen vermehrt Bezirke und die Stadt selbst. Neukölln, nach Prenzlauer Berg und Friedrichshain-Kreuzberg der nächste von Gentrifizierung heimgesuchte Stadtteil, hat »eine Reihe von Maßnahmen beschlossen, um Veränderungsprozesse zu begleiten und auf den verstärkten Zuzug nach Neukölln zu reagieren«. Ähnliches passiert unter dem Stichwort »Milieuschutz« in anderen Bezirken bereits.

Die Grünen in Friedrichshain-Kreuzberg gehen einen Schritt weiter und wollen mit einem ersten Eröffnungsverbot den Kneipenüberschuss bremsen. Und für die großstadtfiebrigen Besucher gibt es einen Knigge. Der nun die überraschende Botschaft doch an die große Glocke hängen soll: dass dort, wo sie, die Touristen, feiern wollen, Berliner leben. Und schlafen.

Nachtigall, ick hör dir trapsen.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -