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Und alle so »pssst«
Sarah Liebigt meint, eine Kneipe weniger ist immerhin ein Anfang
Sie fallen in Scharen über Sehenswürdigkeiten und Berliner Oasen her. Sie sitzen mit ihren Gitarren, Bierflaschen und Wodka-Matedrinks auf der Admiralbrücke. Sie sitzen dort so lange, bis sie hier Wurzeln schlagen und in die Kieze ziehen, in denen sie zwischen Kellerclub und Macaronstübchen versackten, nur um nebenan noch eine Weinstube und noch ein pseudoalternatives Lädchen aufzumachen, wo es selbstgebastelten Schmuck gibt: Ampelmännchen im Dirndl.
»Sie«, das sind »die Touristen«. Sie sind nicht aufzuhalten, verständlich, Berlin ist ja auch toll. Eröffnet Bäcker für die sich an Berliner Schrippen regelmäßig verschluckenden süddeutschen Zuzügler, und stellt in der ganzen Welt Buddybären auf, damit auch ja keiner vergisst, dass Berlin so schön bunt ist.
Sie - also die Touristen, nicht die Bären - wurden beschimpft, verspottet, an der Cafétür abgewiesen: Zuerst schlug ein Teil der (Ur)Einwohner angesichts drastisch steigender Mieten und einer Anpassung ganzer Viertel an touristische Bedürfnisse Alarm.
Nun folgen vermehrt Bezirke und die Stadt selbst. Neukölln, nach Prenzlauer Berg und Friedrichshain-Kreuzberg der nächste von Gentrifizierung heimgesuchte Stadtteil, hat »eine Reihe von Maßnahmen beschlossen, um Veränderungsprozesse zu begleiten und auf den verstärkten Zuzug nach Neukölln zu reagieren«. Ähnliches passiert unter dem Stichwort »Milieuschutz« in anderen Bezirken bereits.
Die Grünen in Friedrichshain-Kreuzberg gehen einen Schritt weiter und wollen mit einem ersten Eröffnungsverbot den Kneipenüberschuss bremsen. Und für die großstadtfiebrigen Besucher gibt es einen Knigge. Der nun die überraschende Botschaft doch an die große Glocke hängen soll: dass dort, wo sie, die Touristen, feiern wollen, Berliner leben. Und schlafen.
Nachtigall, ick hör dir trapsen.
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