Auf dem Tugendpfad

Christin Odoj über Jugendliche und ihre Straftaten

Als die Jugendrichterin Kirsten Heisig vor vier Jahren erst mit ihrem Buch »Das Ende der Geduld« und schließlich mit dem von ihr entwickelten Neuköllner Modell (NKM) ins Rampenlicht preschte und viel Zustimmung und erstaunlich wenig Widerspruch fand, stand eins fest: Endlich nimmt mal jemand das Zepter in die Hand, spricht aus, was alle Anhänger von Zucht und Ordnung denken. Das ging so weit, dass sie kriminelle Kinder in geschlossenen Heimen unterbringen wollte.

Natürlich ist nicht von der Hand zu weisen, dass ein übergroßer Anteil aller Straftaten von wenigen Intensivtätern begangen wird, die mit Laubfegen und Geldbußen nicht zur Einsicht kommen. Um die geht es beim inzwischen evaluierten Neuköllner Modell aber gar nicht, sondern darum, auffällig gewordene Jugendliche auf dem kurzen Dienstweg vor Gericht zu zerren. Die natürliche Autorität des Richters werde die Abtrünnigen schon wieder auf den Pfad der Tugend zurückschicken, so die Grundidee. Dass dieses hehre Ziel tatsächlich erreicht wird, kann aufgrund der geringen Fallzahlen gar nicht valide ermittelt werden.

Dass das Projekt die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft nach vier Jahren nur marginal verbessert hat, sagt zunächst viel über die durchhierarchisierte Amtsstruktur aus, aber wenig darüber, ob das Neuköllner Modell nicht schlichtweg überflüssig ist. Denn wozu das Ganze? Es ist kostenneutral, allein deshalb denkt in der Justizverwaltung wohl niemand darüber nach, es abzuschaffen. Nur 246 Fälle wurden im letzten Jahr nach dem NKM behandelt und das bei allgemein rückläufigen Täterzahlen, hingegen mehr als doppelt so viele über die Diversion gelöst, die im besten Fall erklärt, verhandelt, bespricht, bevor geurteilt wird.

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