Irgendwie besser - und doch noch schlechter als zuvor
Werder Bremen ist auf einen Abstiegsplatz abgerutscht und in eine gefährliche Situation geschlittert
Es hat am Samstagabend am Mittellandkanal ziemlich viele Bilder gegeben, die den Bremer Frust wiedergaben. Da war Torwart Raphael Wolf, der sich wie einer Schießbude vorkam, den Ball mit Schlusspfiff wütend auf die Tribüne bolzte und dann mit den Mitspielern stritt. Oder Verteidiger Sebastian Prödl, der den Kopf im Kabinengang so betreten auf den Boden richtete, dass ihn niemand anzusprechen wagte. Die verdiente 1:2 (1:1)-Niederlage beim VfL Wolfsburg hat beim SV Werder die höchste Alarmstufe ausgelöst, weil sie bestens die schleichende Abwärtsentwicklung kennzeichnet.
»Scheiß Spieltag. Scheiß Spiel«, hörte man Thomas Eichin fluchen, und der Geschäftsführer wollte in erster Erregung »die Rollläden runterziehen«, wohl wissend, dass der Kern allen Übels in Bremen auf ganz anderen Ebenen zu suchen ist, als bei einer störenden Öffentlichkeit oder einem unruhigen Umfeld.
Während der SV Werder in den vergangenen Jahren einen nie endenden Aderlass von Leistungsträgern - auf der Gegenseite spielten mit Naldo, Kevin De Bruyne und Aaron Hunt drei Profis aus besseren Zeiten - zu beklagen hatte, haben nun Konkurrenten wie Hannover und Augsburg, Frankfurt oder Mainz so viel Speck angefressen, dass sie den Bremern im Abstiegskampf wohl von Anfang an eine lange Nase drehen. Sind die Zukunftsaussichten der Grün-Weißen damit genauso düster wie deren Auswärtstrikots?
Nein, sagt die sportliche Leitungsebene trotz des schlechtesten Saisonstarts seit 44 Jahren. Trainer Robin Dutt will anhand der bisherigen Auftritte im Vergleich zur Vorsaison erkannt haben, »dass die Mannschaft besser geworden ist.« Das aber macht die Gemengelage ja so gefährlich: Sein kämpferisches Ensemble wird nie an die Wand gespielt, seine willige Elf zerfällt nicht mehr - aber sie war auch nirgendwo so gut, um sich einen Sieg zu verdienen. Die Nummer zwei der ewigen Bundesligatabelle besitzt in keinem Mannschaftsteil mehr eine individuelle Qualität, die den Unterschied ausmachen könnte.
Wenn Eichin gezwungen ist, dem Kader lediglich ablösefreie Schnäppchen oder junge Eigengewächse hinzuzufügen, bleiben Mängel nicht aus. Der 47-Jährige dürfte gesehen haben, wie sich der als »Mehrwertspieler« gepriesene bosnische WM-Teilnehmer Izet Hajrovic, vor dem 1:0 von Ricardo Rodriguez (15.) wie ein Schulbub überlaufen ließ. Und es grenzte an unterlassene Hilfeleistung, wie die erfahrenen Abwehrrecken Sebastian Prödl und Assani Lukimya vor dem 2:1 von Ivica Olic (57.) den 19-jährigen Marnon Busch allein ließen, nachdem das Eigengewächs den zwischenzeitlichen Ausgleich erzielt hatte (37.).
Die dilettantischen Fehler im Defensiverhalten gehören schleunigst abgestellt, soll Dutts Prophezeiung (»Wir werden die notwendigen Punkte holen«) in Erfüllung gehen. »Mit so einem Abwehrverhalten ist es schwer, Spiele zu gewinnen«, konstatierte selbst der Coach ernüchtert. Für das kommende Heimspiel gegen Freiburg verlangt der 49-Jährige: »Ein Sieg ist Pflicht.« Weil es danach zum FC Bayern geht, werde die Tabelle »wahrscheinlich in den nächsten drei, vier Wochen nicht viel besser aussehen.«
Von einem »heißen Herbst« um seine Person will der ehemalige DFB-Sportdirektor indes nichts wissen: »Intern spüre ich volle Rückendeckung. Da gibt es nullkommanull Prozent Zweifel.« In der Tat ist es nicht vorstellbar, dass der in Freiburg geborene Eichin dem Ex-Freiburger Dutt übereilt das Vertrauen entzieht. Was der ehemalige Werder-Vorstandschef Klaus Allofs zu Protokoll gab, hörte sich trotzdem wie eine Beileidsbekundung an: »Sie haben nicht wie eine Mannschaft gespielt, die unten drin stehen muss.« Der vom Zweitligisten FC St. Pauli gekommene Bartels glaubt zu wissen, worauf es jetzt ankomme. »Fußball ist zwar ein Ergebnissport, aber wir müssen uns jetzt von der Tabelle lösen.«
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