Abbas Rede erzürnt Israel

Die Drastik der Worte des Palästinenserpräsidenten vor der UNO überrascht die Regierung Netanjahu

  • Oliver Eberhardt
  • Lesedauer: 3 Min.
Palästinas Präsident Abbas hat Israel vor der UNO-Vollversammlung scharf angegriffen. Er forderte, die internationale Gemeinschaft solle Israel nun eine Frist für ein Friedensabkommen setzen.

»Arafat ist zurück«, ruft der Mitarbeiter von Präsident Mahmud Abbas begeistert ins Telefon, »was für eine Rede!« Er meint die emotionalen Worte, die ein sichtbar aufgebrachter Abbas vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen hielt. Es ist eine Freude, eine Begeisterung, die im Team von Abbas schon seit langer Zeit nicht mehr zu spüren war. Noch vor wenigen Tagen hatten selbst Mitarbeiter der palästinensischen Regierung ihren Missmut über »das ewige Hin und Her« des Präsidenten kaum verborgen.

Doch das war vor der Rede. Jetzt stehen selbst die Kritiker wieder hinter ihrem Chef. Denn Abbas nahm in vor dem UN-Plenum kein Blatt vor dem Mund - und brach damit auch Brücken ab. Er bezichtigte Israels Regierung, während des Gaza-Krieges »Völkermord« begangen zu haben: »Im Namen des palästinensischen Volkes erkläre ich heute: Wir werden nicht vergeben, wir werden nicht vergessen, wir werden es nicht erlauben, dass Kriegsverbrecher ihrer Bestrafung entgehen.«

Worte, die vor allem im Gaza-Streifen gehört wurden, wo seine Regierung die Macht übernehmen soll, aber nach Jahren der Hamas-Herrschaft um Einfluss ringt. Und: »Es ist unmöglich und ich wiederhole: unmöglich, zum Kreislauf der Verhandlungen zurückzukehren, die es nicht geschafft haben, die substanziellen Fragen zu klären.«

Abbas rief die internationale Gemeinschaft dazu auf, Israels Regierung eine Frist für ein Ende der israelischen Besatzung der palästinensischen Gebiete zu setzen. »Die Besatzung zielt besonders darauf, den Charakter Ostjerusalems zu verändern.« Einem Bericht der israelischen Friedensorganisation »Schalom Achschaw« zufolge wurden gut ein Viertel (rund 500) aller im ersten Halbjahr 2014 in Jerusalem gebauten Wohnungen im arabischen Ostteil der Stadt gebaut.

»Ist Arafat zurück?«, fragten in den vergangenen Tagen gleich mehrere israelische Medien. »Und ganz ehrlich: Wir fragen uns das auch«, heißt es im Umfeld des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanjahu. Die Drastik der Abbas-Rede hat hier überrascht und erzürnt, aber vor allem: Sie hat das Team Netanjahu unter Zugzwang gesetzt. Eigentlich war man gerade dabei, sich mit Finanzminister Jair Lapid über den Haushalt 2015 zu streiten. Dieser soll die Kriegskosten durch Einschnitte in den Sozial- und Bildungshaushalt finanzieren, damit keine Steuern für die Oberschicht erhöht werden müssen. Stattdessen sucht man nun nach einer Antwort auf Abbas. Nichts fürchtet Netanjahu so sehr wie eine palästinensische Mitgliedschaft im Internationalen Strafgerichtshof und eine UNO-Resolution, an der Israel nicht mitgeschrieben hat. Denn wahrscheinlich wird nun entweder das eine oder das andere passieren. Zwar hat das US-Außenministerium die Abbas-Rede ungewöhnlich scharf kritisiert. Sie sei »beleidigend« und »provokativ«. Doch amerikanische Diplomaten schauen mit Sorge auf die nun zu erwartenden Entwicklungen. Bislang hatte man im Sicherheitsrat stets ein Veto eingelegt, wenn es um Israel ging. Doch jetzt muss man für diesen Fall damit rechnen, dass israelische Politiker und Militärs vor dem Internationalen Strafgerichtshof angeklagt werden. Überdies ist mit Gegenwehr aus der arabischen Welt zu rechnen.

Palästinensische Diplomaten haben in den vergangenen Monaten bereits Vorarbeit geleistet: Man versicherte sich der Arabischen Liga und warb bei westlichen Regierungen um Unterstützung für die letzte Frist. Es wird damit gerechnet, dass sich der Sicherheitsrat in naher Zukunft mit der Frage des Zeitplans befasst. Eine wirkliche Antwort hat Israels Regierung nicht: Laut Entwurf von Netanjahus Rede, die nach Redaktionsschluss gehalten wurde, beschränkt sich diese auf Gegenvorwürfe.

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