Für Betrüger wird es ungemütlich
Regierungsentwurf für ein Anti-Doping-Gesetz erntet viel Zustimmung, aber auch Kritik
Nach einem Jahr scheint die Bundesregierung tatsächlich Anlauf zu einem lange geforderten Anti-Doping-Gesetz zu nehmen. Nach Berichten verschiedener Medien, denen der Gesetzesentwurf bereits vorliegt, sollen der Erwerb und Besitz von Dopingmitteln demnach mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren geahndet werden. Allein der Besitz geringfügiger Mengen soll künftig schon eine Straftat darstellen – allerdings nur für jene 7000 Sportler, die bereits im Testpool der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) erfasst sind und zusätzlich für all jene Athleten, die mit Sport «erhebliche finanzielle Einnahmen» erzielen.
Der Entwurf, auf den sich Bundesinnen-, Justiz- und Gesundheitsministerium geeinigt haben, soll Anfang 2015 in den Bundestag eingebracht werden. Schon jetzt wird der Entwurf von vielen Seiten ausdrücklich gelobt. Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), zeigt sich begeistert: «Wenn der Entwurf so zum Gesetz werden sollte, wäre es ein Meilenstein.» Prokop ist ein Befürworter der uneingeschränkten Besitzstrafbarkeit, die der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) ablehnt. Noch im Dezember 2013 hatte eine übergroße Mehrheit im Dachverband des deutschen Sports gegen die Einführung der uneingeschränkten Besitzstrafbarkeit gestimmt.
Für Dagmar Freitag (SPD), die Vorsitzende des Bundestags-Sportausschusses, ist der Entwurf «eine klare Ansage gegen potenzielle Doper, dass es für sie deutlich ungemütlicher wird». Auch vom dreimaligen Zeitfahr-Weltmeister Tony Martin kommt Zustimmung: «Vor allem kann bei Inkrafttreten des Gesetzes jetzt ganz anders ermittelt werden», sagte der Profiradsportler. «Ob es ein Allheilmittel ist, wird die Praxis zeigen.»
In vielen anderen europäischen Ländern gibt es bereits Anti-Doping-Gesetze, in Italien seit 2000, in Frankreich sogar schon seit 1965. Zuletzt wurde das Gesetz im Land der Tour de France 2006 noch einmal deutlich verschärft.
In Deutschland kümmert sich bislang die Sportgerichtsbarkeit um dopende Athleten. Für die Trainer, Betreuer, Ärzte und Wissenschaftler, also all jene, die das Doping organisieren, muss das Arzneimittelgesetz herhalten – es geht dabei stets um den Schutz der Gesundheit des Athleten. Der Gesetzesentwurf soll nach Ansicht von Rechtsexperten nun ausdrücklich auch Grundwerte des Sports schützen: Chancengleichheit und Fairness.
Die Sportgerichtsbarkeit hingegen soll auch nach dem neuen Gesetzesentwurf nicht angetastet werden. Robert Bartko, Doppelolympiasieger von 2000 und mittlerweile Vizepräsident des Landessportbundes Berlin, begrüßt das ausdrücklich, wie er gegenüber «nd» sagt: «In Ergänzung zur Sportgerichtsbarkeit ist das neue Gesetz ein guter Schritt.» Die Beweislastumkehr bei positiven Dopingproben hingegen müsse beispielsweise erhalten bleiben. «Sonst könnten manche Dopingfälle quasi zerredet werden.»
Der Entwurf sieht vor, dass künftig auch Preis- und Startgelder eingezogen werden können.
«Abschreckung muss sein», findet auch Robert Bartko. «Meinetwegen auch so: Allerdings scheint mir auch dieser Gesetzesentwurf zu sehr auf den Athleten fokussiert zu sein: Wie geht man aber mit denen um, die dahinter stecken? Mit Ärzten, Betreuern und der Pharmaindustrie, die am Doping so gut verdient?»
Dopingjäger Werner Franke aus Heidelberg nennt den Entwurf gegenüber «nd» «wahlweise dumm oder hinterfotzig». Wer im Ernst glaube, man könne so Doping bekämpfen, sei blauäugig. Entscheidend sei es, an die Ärzte heranzukommen. «Glauben Sie ernsthaft, ein Athlet ist heutzutage so blöd und hat noch irgendwelche Mittelchen bei sich?» Man müsse stattdessen endlich versuchen, an die Ärzte heranzukommen, an jene, die das Doping schließlich ausführen: «Denn selbst bei Eigendoping steckt doch in der Regel immer ein Arzt dahinter, der sich im Zweifelsfall auf seine ärztliche Schweigepflicht berufen könne.
Auch das Argument, die NADA werde durch das neue Gesetz künftig besser mit den Strafverfolgungsbehörden zusammenarbeiten können, findet der Molekularbiologe lächerlich. »Die NADA ist ein Gremium, dessen Zusammensetzung durch den Sport bestimmt wird. Was kann man von denen erwarten? Die sollten es besser mal schaffen, endlich den IGF1-Test auszuführen!« IGF1 ist ein Abkömmling des Wachstumshormons HGH, eines der unzähligen hochmodernen Dopingmittel, die laut Franke fleißig eingenommen werden.
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