Hartz-IV-Sätze wurden durchgewunken

Bundesverfassungsgericht

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Der Bundesregierung blieb eine erneute Hartz-IV-Niederlage vor dem Bundesverfassungsgericht erspart. Allerdings haben die Karlsruher Richter ihr für die Berechnung der Regelsätze erneut Auflagen gemacht.

Die Hartz-IV-Sätze sind für die Ärmsten der Armen »noch« ausreichend. Alleinstehende oder Familien mit Kindern können mit den Hilfeleistungen ihr Existenzminimum gerade so decken, entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am 9. September 2014 (Az. 1 BvL 10/12, Az. 1 BvL 12/12 und Az. 1 BvR 1691/13) veröffentlichten Grundsatzbeschluss.

Damit scheiterten zwei Familien und ein Alleinerziehender mit ihren Klagen auf höhere Hartz-IV-Leistungen.

Verfassungsrichter: Gesetzgeber könne zur Anpassung der Sätze verpflichtet werden

Die öffentlichen Kassen können dagegen aufatmen. Sie bleiben von drastischen Zusatzausgaben für Sozialleistungen verschont. Ein bisschen Bauchschmerzen hat das Bundesverfassungsgericht wegen der bestehenden Hartz-IV-Vorschriften aber doch. So dürften die rund 6,1 Millionen Hartz-IV-Bezieher in Deutschland nicht im Regen stehengelassen werden, wenn sie bei wichtigen Ausgaben, wie beispielsweise dem Haushaltsstrom, »unvermittelt auftretende, extreme Preissteigerungen« zu schultern haben.

In solch einem Fall könne der Gesetzgeber zu einer unverzüglichen Anpassung der Hartz-IV-Sätze verpflichtet sein, heißt es in der 65-seitigen Entscheidung aus Karlsruhe.

Der Gesetzgeber und damit auch die Bundesregierung kamen nicht immer so glimpflich davon. Mit den Urteilen des Bundesverfassungsgericht vom 9. Februar 2010 (Az. 1 BvL 1/09, Az. 1 BvL 3/09 und Az. 1 BvL 4/09) wurde die damalige Berechnung der Hartz-IV-Regelleistung für verfassungswidrig erklärt. Was Hartz-IV-Bezieher zur Deckung ihres Existenzminimums brauchen, sei in Berlin »ins Blaue hinein« geschätzt worden. Der Gesetzgeber musste deshalb nachbessern und insbesondere den Hilfebedarf für Kinder genau feststellen.

Die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung hatte dann 2011 die Hartz-IV-Vorschriften reformiert und die Sätze erhöht. So erhielten in den konkreten Streitfällen die erwachsenen Kläger ab 2011 monatlich 328 Euro. Dem zweijährigen Kind wurde ein Regelsatz von 215 Euro bewilligt, abzüglich 184 Euro Kindergeld. Der alleinstehende Kläger erhielt 364 Euro monatlich.

Bis zum Jahr 2014 stieg der Hartz-IV-Satz für Alleinstehende auf 391 Euro, die Sätze für Ehepaare und Kinder wurden ebenfalls erhöht.

Schulpflichtige Kinder können seit der von Karlsruhe erzwungenen Hartz-IV-Reform zusätzlich zu ihrem Regelbedarf 100 Euro pro Jahr für Schulbedarf beanspruchen.

Außerdem können sie vom Jobcenter bis zu zehn Euro in Form eines Gutscheins für Vereinsbeiträge oder dem Musikunterricht erhalten.

Zulässig sei, einzelne Positionen nachträglich zu streichen

Das höchste deutsche Gericht fand es nunmehr in seiner aktuellen Entscheidung grundsätzlich in Ordnung, dass der Gesetzgeber nur alle fünf Jahre den Bedarf für Langzeitarbeitslose neu bestimmt. Wenn er sich dabei an der jeweils aktualisierten Einkommens- und Verbrauchsstichprobe orientiert, werde die Hartz-IV-Leistungshöhe »tragfähig begründet«, erklärten die Bundesverfassungsrichter weiter.

Dennoch verlangen die Karlsruher Richter zusätzlich vom Gesetzgeber, »fortlaufend« den Bedarf der Hilfebedürftigen zu ermitteln und gegebenenfalls die Hartz-IV-Sätze anzupassen. Denn derzeit finde sich im Hartz-IV-Satz nur ein geringer Betrag für langlebige Güter wie eine Waschmaschine wieder. Kommen Sozialgerichte hier in Streitfällen zu dem Schluss, dass dies nicht ausreicht, kann ein Zuschuss gewährt werden.

Zulässig sei es, dass einzelne Positionen nachträglich gestrichen werden und sich nicht im Hartz-IV-Satz anteilig wiederfinden, wie beispielsweise Blumen und Alkohol. Auch ein Auto sei für das Existenzminimum nicht nötig. Ebenso wenig sei die Höhe der Hartz-IV-Leistungen für Kinder und Jugendliche zu beanstanden, urteilte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. epd/nd

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