Proteste gegen TTIP in über 1.000 Städten Europas
Chemielobby wirft Kritikern von umstrittenen Freihandelsabkommen «Verweigerung» vor / In der Bundesrepublik über 150 Kundgebungen und Aktionen geplant / EU-Staaten veröffentlichen Verhandlungsmandat
Update 10.10 Uhr: Der wirtschafts- und energiepolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Joachim Pfeiffer, hat mit Blick auf den inzwischen veröffentlichten Textes des Vertragswerks CETA - das Freihandelsabkommen zwischen EU und Kanada - erklärt, dies nehme «den Kritikern endgültig den Wind aus den Segeln». Durch CETA werde es weder im Umwelt-, Arbeitnehmer- oder im Verbraucherschutz eine Absenkung der Schutzstandards geben. Die Bundesrepublik brauche «den Freihandel, ohne ihn wäre unser Wirtschafts- und Sozialmodell nicht denkbar». Entgegen aller Kritik müsse nun auch das Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) «zügig zu Ende gebracht werden».
Update 10 Uhr: Der Verband der Chemischen Industrie hat den Kritikern der umstrittenen Freihandelsabkommen «Polemik und Totalverweigerung» vorgeworfen. «TTIP ist ein innovativer Versuch der EU und der USA, sich auf hohe gemeinsame Standards zu einigen, die international auf andere Regionen ausstrahlen können», sagte Reinhard Quick vom Europabüro des Lobbyverbandes, der mehr als 90 Prozent der Unternehmen der deutschen Chemiebranche vertritt. Er rief die Kritiker der Freihandelsverhandlungen dazu auf, «sich konstruktiv an der Gestaltung der Globalisierung zu beteiligen». TTIP werde auf keinen Fall zu einer Aufweichung europäischer Standards in der Chemikaliensicherheit führen. «Polemik und Totalverweigerung helfen nicht weiter, um Lösungen für konkrete Probleme zu finden», so Quick. Das gelte auch für den umstrittenen Investitionsschutz. «Wir erreichen nötige Nachbesserungen nicht, wenn wir das Thema ausklammern. Wir haben auch hier die große Chance, reformierte Regeln auszuhandeln».
TTIP-Proteste in über 1.000 Städten Europas
Berlin. Laut dem globalisierungskritischen Netzwerk Attac laufen am Samstag im Rahmen des internationalen Aktionstags gegen die geplanten Freihandelsabkommen TTIP, CETA und TiSA in mehr als 1.000 Städten Proteste. Allein in der Bundesrepublik sollen in über 150 Städten Kundgebungen und Aktionen geplant sein. Aufgerufen zu dem Aktionstag hat ein breites Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen aus ganz Europa. «Hinter den Abkommen versteckt sich ein massiver Angriff auf alles, was uns wichtig ist: Soziale Sicherheit, Arbeitsrechte, Umweltschutz, nachhaltige Landwirtschaft und Demokratie», sagte Roland Süß von Attac Deutschland. «Für die Freihandelslobbyisten sind all das Handelshemmnisse, die zu beseitigen ihr Ziel ist. Während die breite Masse der Menschen verliert, gibt es einige wenige Gewinner: Konzerne auf beiden Seiten des Atlantiks. Ihre Einflussmöglichkeiten würden sich mit TTIP, CETA und TiSA drastisch erhöhen.
TTIP-Gegner gehen auf die Straße:
Hintergrund zum Aktionstag gegen Freihandelsabkommen mit Nordamerika - hier
Derweil haben die EU-Staaten das Verhandlungsmandat für das Freihandelsabkommen TTIP mit den USA veröffentlicht. Das teilte der Rat am Donnerstag in Brüssel mit. Das 18-seitige Dokument in englischer Sprache ist die EU-Grundlage für die seit Juli 2013 laufenden Handelsgesprächen mit den Vereinigten Staaten. Es enthält Vorgaben und Ziele zum Beispiel für den Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe, den Schutz von Urheberrechten oder Zollfragen. »Dies unterstreicht unseren Willen zur Transparenz beim Führen dieser Verhandlungen«, erklärte EU-Handelskommissar Karel De Gucht, der die Gespräche federführend für die EU leitet. »Dies macht es jedem möglich, genau zu sehen, wie diese Vereinbarung aus EU-Sicht funktionieren soll.«
Kritiker beklagen seit langem mangelnde Transparenz bei den Gesprächen. Verbraucherschützer fürchten ebenso wie Umweltaktivisten sinkende europäische Standards, eine zunehmende Liberalisierung vieler Bereiche oder geheime Schiedsgerichte für Investoren. nd/mit Agenturen
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