Wettstreit der »drei Musketiere«

Am Sonnabend könnte feststehen, wer Klaus Wowereits Nachfolger wird

  • Kirsten Baukhage und Theresa Münch
  • Lesedauer: 3 Min.
Müller, Stöß oder Saleh - wer kann Berlin? Die SPD sucht einen Nachfolger für Klaus Wowereit. Die Kandidaten lassen die Muskeln spielen. Am Samstag könnte der Neue feststehen.

Am Ende war Schluss mit dem sozialdemokratischen Schmusekurs. Im vorerst letzten von 14 Duellen gingen sich die drei Bewerber für die Nachfolge von Berlins Regierungschef Klaus Wowereit (SPD) frontal an. Nervös, angespannt gaben sich SPD-Chef Jan Stöß, Stadtentwicklungssenator Michael Müller und SPD-Fraktionschef Raed Saleh in den Tagen vor der Entscheidung: Am Samstag könnte einer von ihnen als neuer Regierender Bürgermeister so gut wie feststehen. Oder das Duell geht mit Stichwahl in eine weitere Runde.

Die rund 17 200 SPD-Mitglieder dürfen entscheiden, wen die Partei als Wowereit-Nachfolger nominiert. Kritiker verspotteten die Kandidatenkür als »Duell der Zwerge«. Denn außerhalb der Hauptstadt sind die drei Kandidaten No-Names, selbst viele Berliner kennen sie nicht. Keiner, so hieß es, habe das Niveau des »Riesen« Wowereit, der am 11. Dezember knapp zwei Jahre vor Ablauf seiner dritten Amtszeit zurücktreten will.

Statt als Zwerge wollen sich die potenziellen Nachfolger lieber so sehen, wie sie in der SPD ironisch getauft wurden: Als »drei Musketiere«. 14 Mal lieferten sich Stöß (41), Müller (49) und Saleh (37) Rededuelle, teils mehrere am Abend. Dabei überlappten sich die Formulierungen immer mehr. Arbeitsplätze, bezahlbare Mieten, Bürgerbeteiligung, Bildung, eine soziale Stadt beschwören alle drei.

Die Abgrenzung fällt ihnen schwer, vertreten die eingefleischten Sozialdemokraten doch ein ähnliches Programm. Erst auf der Zielgeraden flogen auch mal die Fetzen. Stöß kreidete Müller mangelnde Erfolge in der Wohnungspolitik an. Der konterte, Stöß mache zu viele unbezahlbare Versprechen. Saleh warf dem Parteichef vor, so mache die SPD keine glaubwürdige Politik.

In den Rededuellen hatten die drei sich zu inszenieren versucht. Parteichef Stöß als Intellektueller, ein wenig schon jetzt als Regierungschef. Als Einziger legte er ein Programm vor: Mit milliardenschweren Investitionen in die öffentliche Infrastruktur und Personal versprach er wesentlich mehr als die anderen. Unklar bleibt die Finanzierung. Stöß will die SPD mehr nach links rücken. Erfahrung im Parlament hat der kurzzeitige Stadtrat nicht. Für den Wahlkampf ließ sich der promovierte Verwaltungsrichter beurlauben.

Wowereits ehemaliger Kronprinz Müller will an die Arbeit des Noch-Regierenden anknüpfen. »Ich lasse mir unsere Erfolge nicht kleinreden«, sagt er. Dick auftragen ist nicht seine Art. Er betont stattdessen die Erfahrung von mehr als zehn Jahren als SPD-Partei- und Fraktionschef und drei Jahren als Senator. Oft wurde ihm Blässe nachgesagt - das münzt Müller jetzt in Verlässlichkeit um. »Regieren muss man auch können«, sagte er leicht süffisant. Selbstkritisch gibt er zu, beim Glamourfaktor »noch Luft nach oben« zu haben.

Der gebürtige Palästinenser Saleh spielt die Migrantenkarte und setzt auf Emotionen. Er sei ein »waschechter Berliner«, versichert er. Saleh will der erste deutsche Ministerpräsident mit ausländischen Wurzeln werden. Sozialer Aufstieg und Bildung sind seine Themen. Dabei scheut er sich auch nicht, in Debatten die Ratschläge seiner Grundschullehrerin und sogar seines toten Vaters zu beschwören: »Arbeite hart, Raed!« Und: »Achte die deutschen Gesetze!«.

Auch vor dem Nachfolge-Wahlkampf waren die drei Kandidaten kaum Freunde. Stöß putschte Müller im Verein mit Saleh vor zwei Jahren aus dem Amt des SPD-Vorsitzenden. Es blieben Verletzungen. Stöß und Saleh scheinen einander mehr oder weniger für unfähig zu halten. Unterstützt werden sie aus unterschiedlichen Lagern: Saleh von seiner Fraktion, Stöß eher von den Funktionären, Müller von der Basis - und nicht zuletzt, ohne dass dieser das offen sagen würde, von Wowereit. Am Ende jedoch haben die SPD-Mitglieder das Wort. Und die sind, das sagen alle drei Kandidaten, unberechenbar. dpa

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