Ein dunkles Kapitel in der Vergangenheit des deutschen Automobilkonzerns Mercedes Benz ist Thema im so genannten Prozess der historischen Wahrheit, der gegenwärtig im Abgeordnetenhaus der Provinz Buenos Aires stattfindet.
In diesem Verfahren soll herausgefunden werden, was mit den zu Zeiten der argentinischen Militärdiktatur (1976-1983) Verschwundenen passiert ist. Verhandelt wird in der Provinzhauptstadt La Plata derzeit über die 14 Betriebsratsmitglieder, die im August 1977 im Mercedes-Benz-Werk in der Provinz Buenos Aires festgenommen wurden und seitdem nie wieder auftauchten. Nach Anhörung einer Vielzahl von Zeugen sollte Ende der Woche auch Ruben Lavallen, zur fraglichen Zeit Sicherheitschef bei Mercedes Benz, verhört werden. Lavallen war damals zugleich Leiter eines der berüchtigten geheimen Internierungslager der Diktatur. Einige ehemalige Insassen des Internierungslagers erklärten, sie hätten dort mehrere Benz-Angestellte gesehen. Ein Überlebender bezeugte gar die Anwesenheit von Lavallen während seiner außerrechtlichen Haftzeit. Brisanter noch ist die Rolle des heutigen Filialchefs Juan Tasselkraut, der damals in seiner Funktion als Produktionsleiter für die Einstellung von Lavallen mit verantwortlich war. Erstmals äußerte sich Tasselkraut vergangene Woche vor dem »Wahrheitsprozess«. Generell habe er nichts mit den Entscheidungen bei Mercedes Benz Argentinien zu tun gehabt, also könne er sich nur auf Grundlage von »Vermutungen« äußern, so Tasselkraut. Es habe auch »keine geheimen Treffen mit den Sicherheitsbehörden auf dem Gelände des Mercedes-Werks« gegeben und keinesfalls habe er Adressen von Mitarbeitern verraten, erklärte Juan Tasselkraut auf Nachfrage. Zumindest Hector Ratto sieht dies ganz anders. Er hatte zuvor ausgesagt, persönlich gehört zu haben, wie Tasselkraut einer Militärdelegation die Adresse von seinem Arbeitskollegen Diego Nunez mitteilte, der kurz darauf für immer verschwand. Ratto selbst war am 13. August 1977 direkt im Büro von Tasselkraut festgenommen worden, überlebte seine Internierung jedoch im Gegensatz zu den 14 Kollegen, die ihren Einsatz für Arbeitnehmerrechte bei Mercedes Benz auch in Diktaturzeiten mit dem Leben bezahlten. Die Untersuchung über die Verschwundenen von Mercedes Benz begann vor über einem Jahr, nachdem Maria Ramos, Ehefrau des Verschwundenen Esteban Reimer, vor dem Gericht aussagte, dass ihr Mann an dem Tag verschwunden sei, an dem er als Betriebsratsvorsitzender mit der Werksleitung über die Wiedereinstellung entlassener Arbeiter verhandelt hatte. Neben zahlreichen Indizien für die Zusammenarbeit der Betriebsleitung mit den Repressionskräften recherchierte die deutsche Journalistin Gaby Weber, dass Mercedes den Familien der 14 Verschwundenen noch jahrelang den Lohn auszahlten. Er wisse »weder wie noch warum das Unternehmen die Löhne weiter zahlte«, erklärte Tasselkraut dazu. Die Anklage geht heute davon aus, dass Lavallen damals den Job bei Mercedes Benz »aus Dank für seine effiziente Hilfe« bei der Entführung der Betriebsräte bekam. Doch dies wäre nicht sein einziges Verbrechen gewesen: Nach dem Ende der Diktatur wurde Lavallen wegen der illegalen Adoption der Tochter von Verschwundenen zu einer Haftstrafe verurteilt. Trotz aller Aufklärung lassen juristische Konsequenzen in Argentinien zumeist auf sich warten. So zuletzt im Fall des Diktaturschergen Guillermo Mason, gegen den der Nürnberger Richter Hans Strohmeier einen Internationalen Haftbefehl wegen der Ermordung der Deutschen Elisabeth Käsemann erwirkte. Wie im Fall des so genannten Todesengels Alfredo Astiz, dessen Auslieferung nach der italienischen nun auch die schwedische Justiz beantragte, wies die Regierung in Buenos Aires eine Auslieferung mit dem Argument zurück, dass in Argentinien begangene Taten nur in Argentinien verhandelt werden dürften. Einziger Lichtblick: Vor wenigen Wochen bestätigte ein hohes argentinisches Gericht das erstinstanzliche Urteil des Richters Gabriel Cavallo, der die Amnestiegesetze, die die Militärs im Land vor Strafverfolgung schützen, in einem konkreten Fall für ungültig erklärt hatte. Sollte diese Rechtsauffassung Schule machen, könnten in Argentinien bald auch andere Verbrechen als das der Kindesentführung zu Verurteilungen führen.