In Skripniks Ruhe liegt Bremens Kraft

Mit neuem Trainer gelingt Werder beim 2:1 in Mainz der erste Ligasieg der Saison

  • Frank Hellmann, Mainz
  • Lesedauer: 4 Min.
Klare Ansprache, einfache Aussagen: Viktor Skripnik ist keiner, der den Fußball verkompliziert. Genau so einen hat der SV Werder Bremen gebraucht, um in Mainz den ersten Saisonsieg zu landen.

Viktor Skripnik hat das gewiss ehrlich gemeint. Worauf er in der nächsten Arbeitswoche den Schwerpunkt legen wolle, ist der neue Cheftrainer des SV Werder am Samstagabend gefragt worden. »Auf den freien Tag!« Eine authentische Antwort, die verständlich klang: Schon in seiner aktiven Karriere war der ukrainische Nationalverteidiger niemand, der den Rummel als Daseinsberechtigung benötigte, aber seit er den Traditionsverein in seiner größten Schaffenskrise seit 1999 übernahm, ist die Aufregung um den von der U 23 zu den Profis beförderten Fußballlehrer immens gestiegen. »Viele Anrufe, ständig Termine, immer Pressekonferenz«, hat Skripnik noch gesagt, »das brauche ich eigentlich nicht.« Also will er einen Tag einfach abschalten. Und Luft holen.

Der 138-fache Bundesligaspieler kennt die Mechanismen der Branche. »Aber ich hatte zehn Jahre Pause - das ist ein anderes Leben hier.« Vor allem ist es viel lauter. Und doch hat der 44-Jährige die Bühne eher leise betreten. Im anthrazitfarbenen Trainingsanzug, der so unauffällig ausschaute wie Skripnik selbst. Warum er denn so ruhig geblieben sei? »Ich war echt nervös«, räumte der Debütant hernach ein, »aber ich wollte das nicht zeigen, damit meine Mannschaft nicht denkt, dass der Trainer zittert.« Als der erste Bremer Bundesligasieg beim FSV Mainz 05 (2:1) feststand, war Skripnik zwar »superglücklich«. Aber anders als sein langmähniger Assistent Torsten Frings richtete er die Freude wie schon nach dem Pokalerfolg beim Chemnitzer FC (2:0) mehr nach innen.

Für viele Anhänger erinnert der Anfang unter Skripnik verdächtig an den Amtsantritt von Thomas Schaaf mitten im Abstiegskampf im Mai 1999. Allein aufgrund ihrer grün-weißen Vita als vom Publikum verehrter Vollprofi, ihres Werdegangs zum Trainer innerhalb der Werder-Familie und einer kuriosen äußeren Ähnlichkeit wird Skripnik bereits als Schaaf 2.0 bezeichnet. Und dann ist ja auch noch die selbstironische Haltung, die zeitweise durchschimmert. Ob er sich 1996, als er aus Dnjepopetrowsk nach Bremen kam, mal diese Rolle vorgestellt habe? »Nix anderes war mein Ziel.« War natürlich ein Scherz. Das in den Grundfesten erschütterte Gebilde an der Weser hat wohl genau diesen uneitlen Ruhepol gebraucht, wie Fleißarbeiter Zlatko Junuzovic anmerkte: »Der Trainer impft Werder frisches Blut ein.« Seine Schlichtheit ist dabei kein Nachteil - im Gegenteil.

Der Direktor Profifußball Rouven Schröder, der deutlich näher an die Mannschaft rückt, weil Geschäftsführer Thomas Eichin seit dem Trainerwechsel lieber auf der Tribüne sitzt, schüttelte Skripnik mit drei, vier Umarmungen kräftig durch. »Es freut mich für Viktor. Er hat dafür gesorgt, dass die Grundlagen wieder reinkommen.« Will heißen: Klare Fußballer-Ansprache in der Kabine statt komplizierte Powerpoint-Präsentation im Besprechungsraum wie noch unter Robin Dutt. Dass der Vorgänger indes nicht alles falsch gemacht hat, bekräftigte Kapitän Clemens Fritz, der explizit die körperliche Fitness der Kollegen lobte. Aber die mentale Hilfestellung, die der unaufgeregte Skripnik vermittelt, war diesmal wichtiger. Skripnik: »Man darf keine Angst vor dem Verlieren haben, sondern muss den Mut haben, zu gewinnen. Die Mannschaft ist ans Limit gegangen.«

Ein Lieblingssatz des neuen Werder-Hoffnungsträgers geht so: »Fußball ist Fußball.« Immer noch ein simples Spiel und keine wissenschaftliche Abhandlung. »Der Trainer hat uns einen neuen Impuls gegeben und dafür gesorgt, dass wir einen klaren Kopf behalten«, sagte Felix Kroos, der mit einem feinen Pass den Geniestreich von Franco di Santo zum 2:1-Siegtor vorbereitete (50.). »Das kann nur ein Südamerikaner«, lobte Skripnik. Zuvor hatte der Argentinier per Kopf im Nachsetzen nach einem von Loris Karius abgewehrten Elfmeter bereits den zu diesem Zeitpunkt äußerst schmeichelhaften Ausgleich erzielt (44.).

Bis dahin war bei Werder wenig bis gar nichts zusammengelaufen. »Die ersten 20 Minuten waren grottenschlecht«, gab auch Skripnik zu. »Wir wissen um unsere Defizite.« Gleichwohl hat er mit seinen ersten personellen (Neuzugang Alejandro Galvez als Innenverteidiger) und taktischen Maßnahmen (Wiederbelebung der Raute im Mittelfeld) die richtigen Stellschrauben betätigt. An den fußballerischen Mängeln möchte er bis zum Heimspieldebüt gegen Stuttgart arbeiten. Aber vorher braucht er endlich mal einen freien Tag.

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