Aufschub der Räumung wegen Gedenkens?
Flüchtlinge hoffen auf eine Schonfrist bis nach 9. 11.
Update Mittwoch 19.34 Uhr: Ein paar Sicherheitsleute, ein Polizeiwagen – an der Gerhart-Hauptmann-Schule in Kreuzberg sieht es aus wie immer. Die Lage bleibt angespannt, trotzdem atmen die Flüchtlinge auf: Viele bezweifeln, dass noch vor den Feiern zum 25. Jubiläum des Mauerfalls geräumt wird. »Solche Bilder können sie nicht gebrauchen«, sagt ein Unterstützer. Andere rechnen aber jederzeit mit einer Räumung. Bezirk und Polizei wollen weiterhin nicht sagen, ob ein Amtshilfeersuchen vorliegt. Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV) hat nun beim Verwaltungsgericht geklagt, nachdem er ebenfalls keine Auskunft erhalten hatte.
Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg hat derweil einen Beschluss aus dem Juni zurückgezogen: den Plan für das Flüchtlingszentrum, dass in der ehemaligen Schule entstehen soll – mit dem Punkt, dass 35 Flüchtlinge während des Umbaus wohnen bleiben dürfen. Bezirksamtssprecher Sascha Langenbach spricht von einer Formalie. »Auch Formalien sind politische Taten«, betont dagegen der Piraten-Abgeordnete Fabio Reinhardt. Mit der Rücknahme des Beschlusses revidiere man auch die Grundlage, auf der das Abkommen mit den Flüchtlingen beruhe.
Eine gute Nachricht gibt es für Ali Mohamed, ebenfalls Flüchtling in der Schule. Er stand kurz vor der Abschiebung, jetzt hat er einen Aufenthaltstitel erhalten: »Ich bin auf alle Fälle der hier, der heute Nacht am besten schläft.« mag
Update 17.00 Uhr: Etwa 500 Menschen hatten bis Dienstagnachmittag den Aufruf »Wir stellen uns quer« des Aktionsbündnisses »Zwangsräumung verhindern« unterschrieben – darunter Nachbarn, aber auch Institutionen und Vereine wie der Migrationsrat Berlin-Brandenburg oder Kotti&Co. Weiter zeichneten Unterstützer wie Shermin Langhoff, Intendantin am Maxim Gorki Theater, Dirk von Lowtzow, Sänger der Band Tocotronic, den Aufruf.
Update 16.10 Uhr: Bis jetzt wollen weder Polizei noch Bezirk bestätigen, dass ein Räumungsersuchen des Bezirks bei der Polizei vorliegt. Allerdings machte die Bezirksbürgermeisterin Monika Hermann (Grüne) im rbb klar, dass bei »Henkel und Klandt« liege, wann und wo geräumt werde. Währenddessen formiert sich der Widerstand. Wie beim Räumungsversuch im Sommer sind Flüchtlinge auf das Dach gestiegen, um sich vor dem Zugriff der Polizei zu schützen. In der Nacht zum Dienstag wurde von Unterstützern eine ständige Mahnwache auf der gegenüberliegenden Seite der Ohlauer Straße angemeldet. Bis zu 300 Personen versammelten sich, die Polizei spricht von 200. Sie hat nach eigenen Angaben 120 von ihnen abgedrängt und teilweise weggetragen, da sie nicht den Eingang der Schule verlassen wollten. Die Demonstranten sprachen von brutalem Vorgehen unter Gewalt- und Pfeffersprayeinsatz. Die Polizei dagegen meldet, diese hätten Beamte mit Pfefferspray angegriffen. Mehrere Strafverfahren wegen Widerstands gegen Vollzugsbeamte und gefährlicher Körperverletzung seien eingeleitet worden. mag
Update 13.21 Uhr: Offenbar muss ab sofort stündlich mit der Räumung der Gerhart-Hauptmann-Schule gerechnet werden. Wie der rbb berichtet, liege das Räumungsersuchen des Bezirksamtes bei der Polizei inzwischen vor, die nun darüber entscheide, wann es soweit ist.
Update 12.37 Uhr: Ein Flüchtlingszentrum unter der Regie des Bezirks oder ein selbstverwaltetes Flüchtlingszentrum? Obwohl beide Seiten dem Namen etwas Ähnliches wollen, gibt es da doch einige Unterschiede. Friedrichshains-Kreuzsbergs Bezirksbürgermeistin Monika Herrmann (Grüne) und Stadträtin Jana Borkamp stellten am Montag die Pläne des Bezirks vor. Im »Internationalen Flüchtlingszentrum« sollen auf drei Etagen Asylsuchende untergebracht werden. Während im ersten Obergeschoss des Gebäudes in der Ohlauer Straße 48 weibliche Personen samt eines Frauencafes unterkommen sollen, ist das zweite Obergeschoss als Familienetage mit »Apartment-ähnlicher Aufteilung« für insgesamt 60 Menschen vorgesehen, wie es in einer Mitteilung heißt. Die dritte Etage soll schließlich 42 Männern vorbehalten bleiben. Im Erdgeschoss sollen auf einer Fläche von 120 Quadratmetern Projekträume vorgesehen, wobei ein Teil davon an die Beratungsstelle Fixpunkt vermietet werden sollen, die auch bisher im Haus ihre Büros hatte.
Im rechten Flügel des Hauses solle dem »Beratungs- und Betreuungsbedarf der Flüchtlinge Rechnung« getragen werden, wobei es hier vor allem juristische und medizinische Angebote gehen soll. Einen Schwerpunkt woll der Bezirk auf die Behanldung traumatisierter Flüchtlinge setzen. Weitere Angebote seien »vorstellbar und wünschenswert«.
Allerdings: Dies sind nur die Pläne des Bezirks, der erklärt, lediglich die Immobilie zur Verfügung zu stellen. Die zur Umsetzung der Pläne veranschlagten fünf Millionen Euro an Baukosten müsste der noch zu findende neue Träger genauso aufbringen, wie die Realisierung des Projektes. rdm
Update 10.37 Uhr: Derzeit läuft vor der besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule noch immer eine Mahnwache. Wie Unterstützer der Flüchtlinge vis Twitter mitteilen, ist vor Ort derzeit alles ruhig, die Polizei hält sich im Hintergrund. Um Interessierte über alle Ereignisse zu informieren, haben die Flüchtlinge übrigens eine Webcam am Haus angebracht. Den Link dazu gibt es hier.
Update 7.40 Uhr: Rund um die in Berlin-Kreuzberg von Flüchtlingen besetzte Gerhart-Hauptmann-Schule herrschte am Dienstagmorgen gespannte Ruhe. Die Polizei hatte noch in der Nacht zum Dienstag versichert, dass es einstweilen keine Räumung geben werde. Das Gelände um die Schule ist weiträumig abgesperrt. Die Flüchtlinge und ihre Unterstützer haben mehrfach angekündigt, eine Räumung verhindern zu wollen. Die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann (Grüne), bekräftigte am Montagabend in der RBB-»Abendschau« nochmals ihre Entschlossenheit, als letztes Mittel die Schule durch die Polizei räumen zu lassen. Dies gelte, wenn die etwa 45 Besetzer nicht freiwillig ausziehen.
Update 6.50 Uhr: Gegen die Berliner Geschäftsstelle der Diakonie, die in der besetzten Schule in der Ohlauer Straße ein Flüchtlingszentrum betreiben soll, hat es in der Nacht Proteste gegeben. Im Internet erklärten Unbekannte mit »solidarischen flammenden grüßen«, an der Geschäftsstelle der evangelischen Wohlfahrtsorganisation den Schriftzug »Ohlauer Schule bleibt selbstverwaltet« angebracht zu haben. »Die Diakonie möchte ein menschenleeres Haus übergeben haben, wenn sie das geplante staatlich kontrollierte Flüchtlingslager in der Gerhart Hauptmann Schule in der Ohlauer Straße zukünftig betreiben soll«, wird in der Erklärung kritisiert. Auch auf ein Büro der Grünen habe es eine Farbattacke gegeben, hieß es im Internet. Ein Büro in Schöneberg-Tempelhof sei »mit Farbe markiert« worden. Die Grünen hätten »in den vergangenen Monaten mehrfach gezeigt, dass sie den selbstorganisierten Geflüchtetenprotest zerschlagen wollen«, hieß es in einer Erklärung.
Update 6.25 Uhr: Wie der »Tagesspiegel« berichtet, hat ein Berliner Arzt Anzeige gegen den Berliner Innensenator Frank Henkel (CDU) wegen Nötigung, Körperverletzung und unterlassener Hilfeleistung erstattet. Der Politiker sei als Vorgesetzter der Polizei für den Polizeieinsatz im Spätsommer in der Gürtelstraße verantwortlich, zitiert das Blatt Peter Hauber. Dort hatten Flüchtlinge gegen ihre Behandlung und den Bruch der Vereinbarung durch den Senat protestiert. »Die Polizei hat das Haus abgeriegelt, Wasser und Strom gesperrt sowie die Versorgung mit Lebensmitteln und Getränken unterbunden beziehungsweise stark eingeschränkt«, wird Hauber zitiert. Für einen der Flüchtlinge habe das lebensgefährliche Folgen gehabt:»Der Mann wäre fast gestorben. Nur durch intensivmedizinische Maßnahmen in einer Klinik konnte er gerettet werden.«
Polizei geht gegen Sitzblockade vor
Berlin. Unterstützer der Flüchtlinge in Berlin-Kreuzberg haben gegen die befürchtete Räumung des besetzten Schulgebäudes protestiert. Vor dem Gelände an der Ohlauer Straße versammelten sich am Montagabend zahlreiche Demonstranten. Gegen Mitternacht waren noch mehr als 300 Menschen auf der Straße. Die Polizei sperrte den Bereich um den Eingang zu dem Schulgelände mit Dutzenden Beamten ab. Über den Nachrichtenkanal Twitter versicherte sie aber, eine Räumung sei derzeit nicht vorgesehen. Allerdings ging sie gegen Sitzblockade vor, wie im Internet berichtet wurde. Auf Fotos ist zu sehen, wie Polizisten gewaltsam gegen friedliche Demonstranten vorgehen.
Die grüne Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann, hatte am Montag angekündigt, sollten die etwa 45 Besetzer nicht freiwillig ausziehen, werde der Bezirk »zeitnah« und »ohne Zeitverzögerung« handeln. Im Internet spekulierten Unterstützer und Beobachter über die nächsten Tage als mögliche Räumungstermine. Die Polizei verwies bei Anfragen auf den Bezirk, der offiziell um Amtshilfe bitten müsse.
Die Flüchtlinge, die zum größten Teil Asylbewerber aus Afrika stammen, wollen in dem Gebäude bleiben. Sie fordern ein Bleiberecht für Deutschland und Berlin. Vor zwei Jahren begann eine große Gruppe mit der Besetzung. Das »Bündnis Zwangsräumung Verhindern« hatte in der Vergangenheit Widerstand gegen eine Räumung der Schule angekündigt. Im Sommer hatten sich Polizei und Demonstranten tagelang an der Schule gegenübergestanden. nd/mit Agenturen
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.