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Verspieltes Vertrauen

Otto Köhler über die Vorbehalte des Bundespräsidenten gegen einen linken Landesvater in Thüringen

  • Otto Köhler
  • Lesedauer: 4 Min.

Seit einem Jahr, seit dem 23. Jahrestag der mutmaßlichen Deutschen Einheit, ist Bundespräsident Joachim Gauck auf seinem Marsch: Er will nicht mehr, dass »Deutschland sich klein macht«. Gauck fordert mehr Verantwortung für Deutschland in aller Welt. Und das heißt: mehr deutsche Stiefel samt ihren bewaffneten Trägern auf dem ganzen Globus. Die Parteien des Bundestages stehen mehr oder weniger begeistert hinter ihm. Nur eine nicht, und das muss sie jetzt büßen.

Vor zweieinhalb Jahren noch warb Bürger Gauck um diese Partei. Er suchte die Fraktion der LINKEN auf und buhlte darum, dass sie ihn zum ersten Mann der Republik wähle. Doch sie hatte offenbar - die Wahl war geheim - kein Vertrauen zum Kandidaten Gauck. Das durfte sie. Aber das hätte sie sich besser nicht erlaubt.

Und so mischte sich der Bundespräsident in den Abstimmungsprozess der Sozialdemokraten, die darüber entschieden, ob der Linkspolitiker Bodo Ramelow - er muss eine verhasste SED-Größe gewesen sein - Ministerpräsident von Thüringen wird. Das darf nicht sein, meint der Präsident und stellt die Frage, die für ihn keine Frage, sondern ein Ausschluss ist aus der demokratischen Grundordnung: »Ist die Partei, die da den Ministerpräsidenten stellen wird, tatsächlich schon so weit weg von den Vorstellungen, die die SED einst hatte bei der Unterdrückung der Menschen hier, dass wir ihr voll vertrauen können?« Selbstverständlich ist es in diesem Land Aufgabe einer jeden Partei, sich so zu verhalten, dass ein Mann wie Joachim Gauck ihr voll vertrauen kann. Bei Fuß, sagt man zu Hunden.

Dazu hat er als oberstes Mitglied der Bürgerbewegung gegen den SED-Unrechtsstaat jedes Recht. Vom 10. November 1989, vom ersten Tag des Mauerfalles an, war Gauck schon immer - davon war er zutiefst überzeugt - entschiedener Kämpfer gegen diesen Unrechtsstaat. Pastor Gauck hat 1988 in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit der Stasi den Rostocker Kirchentag organisiert und dafür gesorgt, dass der bei den Behörden so unbeliebte »Kirchentag von unten« nicht hoch kam. Dass Gauck jederzeit in den Westen reisen, dass seine Söhne sogar ausreisen durften, zeigt nur, wie sich gegenseitiges Vertrauen auszahlt - die LINKE hätte sich bei der Präsidentenwahl davon eine Scheibe abschneiden können.

Dass heute ein Linker aus Westdeutschland Ministerpräsident von Thüringen werden soll, ist ein Schlag ins Gesicht der Bürgerbewegung gegen den Unrechtstaat, eine Beleidigung aller, die gegen die SED kämpften. Aber wo blieb Gaucks Aufschrei, als vor fünf Wochen bekannt wurde, wie sehr Helmut Kohl, der »Kanzler der Einheit«, die Bürgerrechtler auf den Straßen von Leipzig und anderswo verachtet?

Was war der Anfang vom Ende der DDR für Kohl? »Nicht die Kerzen und die Gebete in der Kirche.« Der Altkanzler hat so wenig Vertrauen zur kirchlichen Friedensbewegung wie Gauck zur Linkspartei: »Wir wissen ja nicht, wie hoch der Anteil der Stasi war an diesen Friedensgebeten.« Der Anfang vom Ende war die Erweiterung der Besuchserlaubnis - das war, so Kohl, »der schlimmste Fehler, den Honecker gemacht« habe. Gauck schweigt dazu.

Und natürlich nimmt der Bundespräsident, wenn er vor den brennenden Kerzen in der Gethsemane-Kirche die Linkspartei anklagt, auch nicht den ehemaligen Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse in Schutz, den Kohl anklagt: »Dieses Subjekt, der mit der Kerze. Der Rauschbart, der sich durch die Geschichte lügt, dass es eine Schande ist.« Und von dem Kohl auch sagt: »Es ist doch dem Volkshochschulhirn von Wolfgang Thierse entsprungen, dass das auf der Straße entschieden wurde.« Die Bürgerrechtler verdienen nur Hohn. Es war der Wiedervereinigungskanzler, der Gorbatschow die DDR gegen Bimbes abkaufte.

Warum überlegt Gauck, der doch offensichtlich überzeugt ist, Bürgerrechtler gewesen zu sein, nicht, ob hier ein Wort des Bundespräsidenten die Ehre der Frauen und Männer wiederherstellen müsste, die 1989 im Widerstand gegen die SED auf die Straße gingen? Oder denkt er wie Kohl? »Wir sind das Volk«, skandierten die Bürgerrechtler. Hat nicht nur die LINKE, haben auch solche radikalen Bürgerrechtler das Vertrauen des Bundespräsidenten verloren? Wäre es nicht die Pflicht von Gauck wie Kohl gewesen, ein solches Volk aufzulösen, bevor sie das eine und einige Volk anführten?

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