Mauer-Gedenken: Die Grenze ist wieder dicht
Polizei schließt Mauerfeier in Berlin wegen Überfüllung/ Politiker und Organisation kritisieren Flüchtlingspolitik und erinnern an Reichspogromnacht
Update 19:10 Uhr: Die Grenze ist wieder dicht - zumindest jene zur Mauer-Party in Berlin. Wegen Überfüllung hat die Polizei das Bürgerfest am Brandenburger To am Sonntagabend geschlossen. »Alle Zugänge sind aus Sicherheitsgründen gesperrt«, sagte ein Polizeisprecher am Abend. Der S-Bahnhof Brandenburger Tor wurde geschlossen, Züge fahren durch. Konkrete Besucherzahlen nannte die Berliner Polizei nicht.
Update 18:15 Uhr: Zum 25. Jahrestag des Mauerfalls haben sich Hunderttausende Gäste in Berlin getummelt. Der Sprecher der landeseigenen Berlin Tourismus- und Kongressgesellschaft, Björn Lisker, sprach am Sonntag von »deutlich über einer Million Besuchern«, die über das Jubiläums-Wochenende an die Spree kamen. Anziehungspunkte waren unter anderem das Brandenburger Tor, Checkpoint Charlie und die Mauer-Gedenkstätte an der Bernauer Straße. Besuchermagnet war auch die so genannte Lichtgrenze.
Update 17:10 Uhr: Nicht nur der Mauerfall jährt sich heute. 76 Jahre nach den Novemberpogromen der Nationalsozialisten ist in zahlreichen Städten Thüringens an die Opfer der Judenverfolgung erinnert worden. Bei aller Freude über den Mauerfall am 9. November 1989 dürfe der Zusammenhang mit den Ereignissen von 1938 nicht verdrängt werden, betonte Linke-Fraktionschef Bodo Ramelow am Sonntag in Erfurt. »Der Ausgangspunkt der europäischen Teilung ist der millionenfache Menschenmord durch deutsche Verantwortung«, fügte er hinzu.
Update 15:40 Uhr: Das Mauerfall-Jubiläum wird zunehmend zum Schlagabtausch über die EU-Flüchtlingspolitik. Während Bundesinnenminister Thomas de Maizière den Tag in Dresden vor der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschlan zum Anlass nahm, gegen Asylsuchende Stimmung zu machen, kritisierte der scheidende EKD-Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider am gleichen Ort die politisch Verantwortlichen. Schneider beklagte eine Politik der Abschottung und Ungastlichkeit gegenüber Flüchtlinge. »Die Zustände in vielen Aufnahmeeinrichtungen sind Anlass zur Scham«, sagte der EKD-Chef. »Die Angst, dass ein ungebremster Zuzug von Flüchtlingen den eigenen Wohlstand gefährdet, bricht sich in Ablehnung, Abwehr und Gewalt gegen Flüchtlinge und Migranten Bahn.«
Update 15.07 Uhr: Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat den Jahrestag des Mauerfalls zum Anlass genommen, auf die Flüchtlingspolitik aufmerksam zu machen. Allerdings mit gegenteiliger Stoßrichtung: Vor der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) warnte er, die Aufnahmebereitschaft der Deutschen überzustrapazieren und forderte feste Aufnahmequoten. Allen übrigen in Deutschland lebenden Menschen wünschte er hingegen ein schönes Bürgerfest in Berlin.
Update 13.05 Uhr: Der SPD-Bundestagsabgeordnete Marco Bülow hat den Jahrestag des Mauerfalls von 1989 zum Anlass genommen, auf die Flüchtlingspolitik der EU kritisch hinzuweisen. 25 Jahre nach dem deutschen Mauerfall sei es notwendig, dass »wir die europäischen Mauern einreißen«, erklärte Bülow auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Er plädierte zudem »für ein menschliche Flüchtlingspolitik«.
Protest gegen die tödlichen EU-Außengrenzen gab es auch anderswo: Auf dem Weg zum Festakt in der Gedenkstätte an der Bernauer Straße war Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ein Stoß Flugblätter vor die Füße geflogen. »Wir fordern den europäischen Mauerfall - alle Grenzen abschaffen«, hieß es darauf. Merkel sei mitverantwortlich für den »Ausbau der Festung Europa« und Verschärfung der Asylgesetzgebung.
Mit einer weiteren Aktion sorgt das »Zentrum für politische Schönheit« seit einigen Tagen für Aufsehen. »Während ganz Deutschland sich darauf einstellt, dem Fall der deutschen Mauer vor 25 Jahren zu gedenken, stehen neue Mauern um Europa, an denen mindestens 30.000 Menschen gekentert sind. Und es werden täglich mehr«, heißt es auf der Website der Gruppe. Seit Freitag ist eine Gruppe von Aktivisten unterwegs, um »eine EU-Außengrenze abzubauen«, wie es weiter heißt. Die Aktivisten hatten 13 weiße Gedenkkreuze für die Berliner Mauertoten entwendet, um sie an die Grenzen Europas zu bringen, wo damit auf die Situation von Flüchtlingen dort aufmerksam gemacht werden soll. Dies hatte die Staatsanwaltschaft und Kritiker auf den Plan gerufen. Es gab aber auch Unterstützung für die Aktion.
Update 13 Uhr: Mit einem großen Festprogramm haben auch Thüringen und Hessen am Sonntag an den Mauerfall vor genau 25 Jahren erinnert. »Der 9. November ist ein Glückstag«, betonte Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) in Vacha (Wartburgkreis) an der früheren deutsch-deutschen Grenze. Der Wunsch nach Freiheit und Demokratie habe über Sozialismus und Planwirtschaft gesiegt. Am Mittag wollten Lieberknecht und ihr hessischer Kollege Volker Bouffier (CDU) an der »Brücke der Einheit« Kränze niederlegen.
Update 12.55 Uhr: Auch 25 Jahre nach dem Mauerfall sind nach Ansicht von Linke-Chefin Katja Kipping viele Hoffnungen der Ostdeutschen noch immer nicht erfüllt. Viele Menschen seien damals auf die Straße gegangen, weil sie nicht mehr überwacht werden wollten. Darauf warteten sie noch heute, kritisierte Kipping am Sonntag auf einem Landesparteitag der Berliner Linken. »Es gibt noch viel zu tun im Sinne einer Verwirklichung von Demokratie, Freiheit und Sozialismus.« Die Linke erinnerte auf ihrem Parteitag an die widersprüchliche Geschichte des 9. November in Deutschland, der nicht nur Jahrestag des Mauerfalls ist, sondern auch Jahrestag unter anderem der antisemitischen Pogromnacht von 1938. In einem emotionalen Vortrag gedachte Ellen Brombacher der Pogromopfer der Nazis. »Ich bin dankbar, dass wir nicht mitmachen, den 9. November auf nur ein Jubiläum zu reduzieren«, betonte Kipping.
Update 12.45 Uhr: Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht den Mauerfall auch als Signal der Hoffnung für die Krisen- und Konfliktherde der Welt. »Wir können die Dinge zum Guten wenden - das ist die Botschaft des Mauerfalls«, sagte Merkel am Sonntag auf der zentralen Gedenkfeier zum 25. Jahrestag der Öffnung der Berliner Mauer. »Sie richtet sich besonders an die Menschen in der Ukraine, in Syrien und im Irak und in vielen anderen Regionen unserer Welt, in denen Freiheits- und Menschenrechte bedroht oder gar mit Füßen getreten werden.« Weitere Mauern könnten eingerissen werden, sagte Merkel - »Mauern der Diktatur, der Gewalt, der Ideologien, der Feindschaften«. Der Mauerfall habe gezeigt: »Träume können wahr werden. Nichts muss so bleiben wie es ist.«
Update 10.45: Mit einem ökumenischen Gottesdienst haben in Helmstedt die Feierlichkeiten von Niedersachsen und Sachsen-Anhalt zum 25. Jahrestag des Mauerfalls begonnen. An der Feier in der St. Stefani-Kirche nahmen am Sonntag die Ministerpräsidenten beider Länder, Stephan Weil (SPD) und Reiner Haseloff (CDU), teil. Nach weiteren Programmpunkten wollten die beiden Politiker am Nachmittag an einem Gespräch mit Zeitzeugen in der Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn teilnehmen. Die an der A2 gelegene Gedenkstätte erinnert an die frühere dortige Grenzübergangsstelle, die während des Kalten Krieges wichtigster Übergang an der innerdeutschen Grenze war. Allein von 1985 bis 1989 wurden hier 34,6 Millionen Reisende abgefertigt.
Offizielle Feierlichkeiten zum Mauerfall in Berlin und anderen Städten
Berlin. In der ehemals geteilten Hauptstadt haben am Sonntag die offiziellen Feierlichkeiten anlässlich des 25. Jahrestags des Mauerfalls im November 1989 begonnen. In zahlreichen Veranstaltungen wird am Sonntag an die Ereignisse des 9. Novembers 1989 und die Opfer der Teilung erinnert. Kanzlerin Angela Merkel war bei der zentralen Gedenkveranstaltung von Bund und Land in der Mauer-Gedenkstätte an der Bernauer Straße erwartet worden. Dort eröffnete die CDU-Politikerin am Vormittag eine neue Dauerausstellung zur Geschichte der Mauer, die die Stadt mehr als 28 Jahre lang teilte. Die Bernauer Straße galt jahrzehntelang als Symbol der Teilung. Nach dem Mauerbau 1961 gehörten die Häuser auf einer Straßenseite zum Osten, der Bürgersteig davor zum Westen.
Zuvor nahmen Merkel, Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) an einem ökumenischen Gottesdienst in der Kapelle der Versöhnung auf dem früheren Todesstreifen teil. Auch einstige DDR-Bürgerrechtler sowie zahlreiche Botschafter hatten ihr Kommen angesagt.
Am Nachmittag findet ein Festakt des Landes Berlin im Konzerthaus am Gendarmenmarkt (16.00 Uhr) statt. Als Redner wird der Präsident des EU-Parlaments, Martin Schulz (SPD), erwartet. Neben Merkel hat sich auch Bundespräsident Joachim Gauck angesagt. Höhepunkt des Jubiläumsfestes soll am Abend ein großes Bürgerfest am Brandenburger Tor werden. Knapp 7000 leuchtende Ballone sollen in den Abendhimmel aufsteigen und damit die temporäre Grenze auflösen. Seit Freitagabend symbolisierten die Kugeln auf 15 Kilometern ein Teilstück der einstigen Berliner Mauer. nd/mit Agenturen
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