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Eine Chronologie des Prozesses gegen den Jenaer Jugendpfarrer Lothar König

  • Lesedauer: 5 Min.
Es begann mit einer Anti-Nazi-Demo in Dresden und endete über drei Jahre später mit einem gefühlten Freispruch vor dem Dresdner Amtsgericht: Die Geschichte des Prozesses gegen Lothar König.

19. Februar 2011: Rund 3.000 Neonazis versammeln sich in Dresden zu ihren alljährlichen Aufzügen zum Kriegsgedenken. Tausende Gegendemonstranten und Linksautonome blockieren erfolgreich mehrere genehmigte Aufmärsche der Rechten. Vor allem zwischen Gegendemonstranten und Polizei kommt es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit vielen Verletzten. Unter den Gegendemonstranten ist auch der Jenaer Jugendpfarrer Lothar König.

20. Februar 2011: Dresdens Polizeipräsident Dieter Hanitsch kündigt aufgrund der Krawalle vom Vortag die Bildung einer »Sonderkommission 19. Februar« an.

19. Juni 2011: Die Berliner »tageszeitung« berichtet über die massenhafte Erfassung von Handydaten im Umfeld der Demonstrationen. Die Behörden beziffern die Zahl der erfassten Datensätze auf über eine Million. Das Vorgehen führt zu heftiger Kritik an der sächsischen Landesregierung, der überzogene und rechtsstaatlich fragwürdige Methoden vorgeworfen werden. Der Freistaat rechtfertigt die Ermittlung mit der Verfolgung schwerer Gewalttaten.

27. Juni 2011: Dresdens Polizeipräsident Dieter Hanitsch wird versetzt. Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU), selbst unter Druck, begründet dies mit Informationsdefiziten im Zusammenhang mit der Daten-Erfassung.

10. August 2011: Sächsische Polizisten nehmen eine Razzia in den Dienst- und Privaträumen des Jenaer Jugendpfarrers Lothar König vor. Ihm wird »aufwieglerischer Landfriedensbruch« vorgeworfen. Der Pfarrer soll am 19. Februar mit einem auf dem Autodach montierten Lautsprecher mit Musik und Rufen die Massen gegen die Polizei aufgewiegelt haben. König bestreitet dies. Es kommt zu Irritationen mit Thüringen, das sich nicht ausreichend informiert sieht. Die evangelische Bischöfin Ilse Junkermann bezeichnet den Einsatz gegen König als »skandalös«.

23. August 2011: Nach einer Ausschusssitzung im Landtag wird bekannt, dass ein weiteres Verfahren gegen König eingestellt wurde. Es geht um den nicht näher erklärten Vorwurf der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Er soll angeblich einer linken Schlägertruppe angehört haben.

8. Dezember 2011: Es wird bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Dresden Anklage gegen Lothar König wegen schweren Landfriedensbruch erhoben hat.

13. Januar 2012: Unterstützer starten eine Spendensammlung für den angeklagten Jugendpfarrer König.

13. Februar 2013: König nimmt erneut an den Protesten gegen Neonazis in Dresden teil.

18. März 2013: Unmittelbar vor Beginn wird der Prozess gegen König am Dresdner Amtsgericht überraschend verschoben. Hintergrund ist das Auftauchen neuer Unterlagen - angeblich mehr als 170 Seiten ungeordneten Materials. Der Prozessbeginn wird auf den 4. April festgesetzt.

27. März 2013: Königs Rechtsanwalt Johannes Eisenberg zeigt die Staatsanwaltschaft wegen des Aktenfundes an und legt eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Unbekannt ein.

4. April 2013: Der Prozess gegen König beginnt.

1. Juli 2013: Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) zeigt sich auf einer Pressekonferenz in Dresden solidarisch mit König. Kirchliche Initiativen starten eine Postkarten-Aktion gegen Rechtsextremismus. Eine Postkarte hat als Motiv ein König-Porträt. Mit der Aktion wird auch die sofortige Einstellung des Verfahrens gegen den Pfarrer gefordert.

2. Juli 2013: Der Prozess gegen König ist geplatzt. Vorangegangen war ein Aussetzungsantrag der Verteidigung, nachdem ihr 200 Stunden unsortiertes Videomaterial von einer Polizei-Sonderkommission übergeben worden war. Das Verfahren soll in vier bis sechs Monaten wieder aufgerollt werden.

16. Januar 2014: Die evangelische mitteldeutsche Kirche kritisiert den schleppenden Fortgang des Prozesses. Zugleich stellt sie sich hinter Lothar König.

13. Februar 2014: König nimmt wieder an den Protesten gegen Neonazis in Dresden teil.

11. März 2014: Lothar König feiert seinen 60. Geburtstag.

14. Juni 2014: Das Theaterstück »Ein Exempel - Mutmaßungen über die sächsische Demokratie« hat in Dresden Premiere. Erfolgsautor Lutz Hübner greift Ermittlungsverfahren und Anklagen gegen Blockierer und Anti-Nazi-Demonstranten rauf. Deutlich inspiriert ist das Stück auch vom geplatzten Prozess gegen Lothar König.

30. Juli 2014: Das Amtsgericht Dresden terminiert die Neuauflage des König-Prozesses auf den 10. November. Weitere Termine werden bis Mitte Dezember festgelegt.

August 2014: Die Kennzeichen des Lautsprecherautos (»Lauti«), das im Zusammenhang mit der umstrittenen Hausdurchsuchung bei Pfarrer Lothar König im August 2011 beschlagnahmt wurde, werden freigegeben. Eine Entscheidung über eine Freigabe des Autos wird erst mit Ende des Prozesses erwartet.

4. November 2014: Die Neuauflage des Prozesses wird verschoben. Die Verteidigung hatte den Aufschub beantragt. Als neuer Termin war der 26. November vorgesehen.

10. November 2014: Der Prozess gegen Lothar König wird gegen Geldauflage eingestellt.

nd/epd

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