Perfektion braucht Zeit

Handballtrainer Dagur Sigurdsson über seine Doppelrolle bei den Füchsen und im DHB-Team

  • Manfred Höhnel
  • Lesedauer: 4 Min.
Dagur Sigurdsson trainiert in diesem Jahr sowohl das Nationalteam als auch die Berliner Füchse. Während seine Bundesligahandballer nach einem Auf und Ab in der Anfangsphase der Saison stabilisiert erscheinen, ist Sigurdsson als Bundestrainer nach Siegen gegen Finnland und Österreich auch mit der Nationalmannschaft auf Erfolgskurs. Am Sonntag ist wieder Ligaalltag: Auf dem Parkett in Hamburg wartet dort der siebtplatzierte HSV auf die zwei Ränge besser stehenden Berliner. Mit dem Trainer in Doppelfunktion sprach Manfred Höhnel über Besonderheiten dieser Rolle, alte Torkanonen und die Perspektiven der von ihm betreuten Mannschaften.

Was erwarten Sie von der Begegnung in Hamburg?
Für beide Teams wird es ein Schlüsselspiel. Hamburg ist immer etwas Besonderes. Die Hamburger sind zwar in der Breite nicht mehr so stark aufgestellt wie früher, aber ihr erster Block ist immer noch super stark. Trotzdem wollen wir die Punkte mitnehmen. Und unsere Form ist auch wieder gut.

Sie sind zurzeit sowohl mit dem Nationalteam als auch mit den Füchsen erfolgreich. Haben Sie sich auf die Doppelfunktion eingestellt?
Ich denke schon. Die ersten Schritte sind gemacht. Wir haben die Strukturen und Abläufe geordnet. Ich weiß jetzt genau, wie der Kader in der Nationalmannschaft aussieht.

Wächst bei ihnen die Lust, diese Doppelrolle von Bundes- und Vereinstrainer weiter zu spielen?
Eine Doppelrolle kommt nicht in Frage. Die Doppelrolle ist - wie mit dem Verband und der Bundesliga abgesprochen - auf ein Jahr beschränkt. Eine Verlängerung wäre auch gegenüber meinen Trainerkollegen unfair. Sie haben die Doppelrolle für ein Jahr akzeptiert, danach aber müssen die Ämter wieder getrennt sein.

Sind für Sie schon Fortschritte beim Nationalteam zu erkennen?
Dazu war die Zeit noch zu kurz. Ich habe ein paar Sachen geändert und vor allem die Abwehr gestärkt. So habe ich Paul Drux von den Füchsen auf die halblinke Position gestellt. Das hat sich bewährt.

Wie wählen Sie die Nationalspieler aus. Schicken Sie Spione zu den Bundesligaspielen?
Ich bin mein eigener Spion. Ich finde alle Spieler im Internet und habe sie auch auf Videos. Per Mausklick kann ich alle wichtigen Informationen abrufen. Dadurch erspare ich mir viel Fahrerei und kann mich voll auf das Training konzentrieren.

Von den Füchse-Spielern gehören acht zu Nationalteams ihrer Länder. Dort werden verschiedene Systeme gespielt. Wie fügen Sie danach das Vereinsteam wieder zusammen?
Das ist nicht so schwierig. Zwei Einheiten genügen, um unser eigenes System wieder aufzufrischen. Bei den Profis ist unser Spielsystem so gefestigt, dass sie es umgehend wieder abrufen können.

Als Torkanone im »Fuchsbau« entpuppt sich der 34-jährige Spanier Iker Romero. Er wollte eigentlich im Sommer aufhören. Manager Bob Hanning hat ihn zu einem weiteren Jahr überredet. Wie erklären Sie sich seine gute Form?
Romero ist ein Weltklassespieler. Er muss noch lange nicht aufhören. Iker kann noch zwei bis drei Jahre auf hohem Niveau spielen. Er ist mit seiner Erfahrung als Weltmeister gerade auch für unsere jungen Spieler enorm wichtig.

Wollen Sie Romero weiter in Berlin behalten?
Darauf habe ich keinen Einfluss mehr. Mein Vertrag endet mit dem Saisonschluss.

Befindet sich die Nationalmannschaft auf gutem Weg in Richtung WM?
Ich denke, im Moment ist alles okay. Natürlich, Perfektion ist auf die Schnelle nicht zu erreichen. Wir haben mehr als die Gegner aufzuholen. Da sind noch viel Einsatz und Denkarbeit vonnöten.

Die Bundesliga wird als stärkste Liga der Welt bezeichnet, warum unterliegt das Nationalteam dennoch Formschwankungen?
In der Bundesliga spielen 19 Mannschaften auf hohem internationalen Niveau. Die Bundesliga ist auch aus meiner Sicht, die stärkste Liga der Welt. Wenn die deutsche Nationalmannschaft nicht immer unter den besten vier oder fünf Mannschaften der Welt zu finden ist, hängt das manchmal an Kleinigkeiten. Mitunter fehlt ein Tor zum Sieg oder ein wichtiger Spieler hat sich in einem entscheidenden Moment verletzt. Bei dem dichten Niveau in der Weltspitze ist man da schnell auch mal draußen. Ich bin aber überzeugt, die starke Liga wird mir auch als Nationaltrainer helfen.

Die deutsche U 20-Handballauswahl wurde Weltmeister und die U 19 ist Europameister. Kommen die Nachwuchsspieler oben an?
Junge Spieler erhalten bei uns alle Möglichkeiten. Sie müssen reifen und natürlich für sich die richtige Entscheidung treffen.

Von den Füchsen sind schon zahlreiche junge Spieler zu anderen Teams geschickt worden, um sich zu entwickeln. Warum ist bis jetzt kein Spieler zurückgekommen?
Es ist nicht schlimm, wenn junge Füchse-Spieler fünf bis sechs Jahre bei anderen Teams Spielpraxis erwerben. Ich rechne damit, dass der eine oder andere Spieler wieder zu den Füchsen stößt.

Wo sehen Sie das Nationalteam bei der Weltmeisterschaft und wo die Füchse am Ende dieser Bundesligasaison?
Zum Nationalteam möchte ich keine Aussagen machen. Schließlich erhielten wir erst durch eine Wildcard die WM-Teilnahme. Die Füchse sehe ich im oberen Mittelfeld, auf den Plätzen fünf oder sechs.

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