»Respekt habe ich vor ihren Äußerungen nicht«
Bodo Ramelow attackiert Merkel wegen ihrer Kritik an Rot-Rot-Grün. In einem Interview findet er harsche Worte gegenüber der Kanzlerin und dem Bundespräsidenten
Berlin. Linke-Fraktionschef Bodo Ramelow hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wegen ihrer Kritik an der geplanten rot-rot-grünen Koalition unter seiner Führung scharf kritisiert. »Respekt habe ich vor ihren Äußerungen nicht. Merkel war in der sozialistischen Jugendorganisation FDJ. Sie hat in der DDR-Diktatur mit all ihren Widerwärtigkeiten gelernt, so um den eckigen Tisch herumzukommen, dass man fast den Eindruck hat, es sei ein runder Tisch gewesen«, sagte Ramelow dem Nachrichtenmagazin »Der Spiegel«. »Viele blaue Flecken scheint sie nicht gekriegt zu haben.«
Bei einem erfolgreichen Abschluss der Koalitionsverhandlungen in Thüringen soll Ramelow am 5. Dezember zum ersten Ministerpräsidenten der Linken gewählt werden. Die CDU-Vorsitzende Merkel hatte der Linkspartei vorgeworfen, sie stelle zu wenig klar, dass die DDR ein Unrechtsstaat gewesen sei. Neben Merkel kritisierte Ramelow auch Bundespräsident Joachim Gauck, der Anfang November in einem ARD-Interview äußerte, kein Vertrauen in die LINKE zu haben: »Er hatte die klare Botschaft, die Linken seien nicht wählbar. In dieser Inszenierung vor einem Altar, vor Kerzen und Kreuzen, ist das für mich verletzend. Mich trifft es in der Seele.« Das Kreuz bedeute ihm etwas, betonte der Christ Ramelow: »Das sorgt schon in meiner Partei für genug kritische Nachfragen. Da muss nicht noch der Seelsorger Gauck kommen.«
Ramelow forderte von seiner Partei eine entschlossenere Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit. Das habe man »zeitweise schleifen lassen«, kritisierte der 58-Jährige. Er leugne nicht, dass die DDR als Unrechtsstaat bezeichnet werden könne. »Auf gut Deutsch: Jedes kleine oder größere Arschloch im DDR-Apparat konnte in das Leben der anderen eingreifen. Das war entsetzlich.«
Persönlich wolle er sich für eine Aussöhnung zwischen seiner Partei und Opfern der SED-Diktatur einsetzen. »Dass mit meiner Kandidatur bei manchen Opfern eine Retraumatisierung eingesetzt hat, nehme ich sehr ernst«, sagte Ramelow dem »Spiegel«. Derzeit mache er Termine mit entsprechenden Initiativen.
»Ich gehe auf alle zu, die mit mir reden wollen, dränge mich aber niemandem auf«, sagte Ramelow. Der Dialog dürfe aber nicht zu einer Inszenierung gemacht werden. »Einige Opfer haben so viele Langzeitschäden, dass es nicht hilfreich ist, wenn ich anklopfe und sage: Hier bin ich, ich will mal reden.« nd/Agenturen
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