Richter stärken Stromkunden

Urteil des Europäischen Gerichtshofs

  • Lesedauer: 3 Min.
Der Blick auf die Strom- oder Gasrechnung wird leicht zum Ärgernis, wenn mal wieder die Preise gestiegen sind. Über solche Änderungen müssen Energieversorger ihre Kunden genau informieren - auch bei Standardverträgen. Das gilt sogar rückwirkend.

Strom- und Gasanbieter müssen ihre Kunden vor Preiserhöhungen genau über den Grund und Umfang informieren. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem Urteil am 23. Oktober 2014 festgelegt. Danach verstießen die deutschen Preisvorschriften von 2005 bis 2008 gegen europäisches Recht (Az. C-359/11 und Az. C-400/11)

Die Luxemburger Richter kippten Klauseln in Verträgen für deutsche Tarifkunden, nach denen Unternehmen die Preise einseitig anheben können.

Diese Regeln entsprächen nicht dem europäischen Recht. Die Richter mahnten, dass jeder EU-Staat einen hohen Verbraucherschutz gewährleisten müsse. Im vorliegenden Fall erlaubten sie Kunden ausdrücklich auch Rückzahlungsansprüche für die Vergangenheit.

Verbraucherschützer werfen Energieversorgern häufig lückenhafte Begründungen bei Preiserhöhungen vor. Konkret geht es um zwei Klagen von Verbrauchern gegen ihre Energielieferanten: die Technischen Werke Schussental GmbH (Ravensburg/Baden-Württemberg) und die Stadtwerke Ahaus GmbH (Nordrhein-Westfalen).

Die Haushaltskunden hatten von 2005 bis 2008 einen Grundversorgungsvertrag für Strom und Gas. Als Tarifkunden sind sie Verbraucher, die den automatisch wirksamen Standardvertrag ihres örtlichen Anbieters nutzen, anstatt nach günstigeren Bedingungen zu suchen. Der BGH hatte den EuGH um Hilfe bei der Auslegung von EU-Recht gebeten.

Nach Ansicht des EU-Gerichts widersprechen die deutschen Regeln dem EU-Recht. Zwar waren auch bisher schon Versorger verpflichtet, den Tarifkunden Preiserhöhungen vorab mitzuteilen - sie mussten sie aber nicht über »Anlass, Voraussetzungen und Umfang« informieren.

Dies sei nicht rechtens, meinten die EU-Richter nun. Dem Kunden müsse neben dem Recht, seinen Vertrag zu kündigen, »auch die Befugnis erteilt werden, gegen eine solche Änderung vorzugehen«. Damit der Kunde gut informiert eine Entscheidung treffen könne, müsse er rechtzeitig vor dem Inkrafttreten der Änderung über Anlass, Voraussetzungen und Umfang der Preiserhöhung informiert werden.

Der EuGH lehnte eine zeitliche Begrenzung seines Urteils ausdrücklich ab. Es sei nicht belegt, dass das Kippen der bisherigen Regeln rückwirkend die gesamte Branche der Strom- und Gasversorgung in Deutschland erschüttern würde, argumentierten die Richter.

Abschließend muss nun wieder der BGH über den Streit entscheiden. Als Konsequenz des Luxemburger Urteils müssen aber wohl zumindest Tarifkunden, die sich gegen damalige Preiserhöhungen gewehrt haben, diese nicht bezahlen.

Für Rückzahlungsansprüche sollten Verbraucher von einer dreijährigen Verjährungsfrist ausgehen, teilte die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen mit. Wer Ansprüche aus Rechnungen von 2011 wahren wolle, solle jetzt reagieren und »klagen oder einen Mahnbescheid beantragen«. Dies sei aber nur Kunden mit einer Rechtsschutzversicherung zu empfehlen, warnten die Verbraucherschützer.

Bereits im letzten Jahr hatte der EU-Gerichtshof Gaskunden den Rücken gestärkt. Im März 2013 urteilten die Richter, dass Versorger auch Kunden mit Sonderkundenverträgen über Preiserhöhungen umfassend ins Bild setzen müssen. Sonst sei die Preisanhebung möglicherweise missbräuchlich und damit unwirksam. dpa/AFP/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.