Entschädigung für Tausende Beamte in Bund und Ländern
Altersdiskriminierung
Dies geht aus mehreren Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig hervor. Das Besoldungssystem müssen Bund und Länder wegen einer EU-rechtswidrigen Altersdiskriminierung aber nicht noch einmal neu umkrempeln, erklärte der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 30. Oktober 2014 (Az. 2 C 3.13).
Hintergrund der Rechtsstreitigkeiten war die frühere Beamtenbesoldung in Deutschland, bei der sich die Höhe des Soldes nach Altersstufen richtete. Jüngere Beamte wurden damit nach EU-Recht sowie dem seit Mitte August 2006 in Kraft getretenen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wegen ihres Alters diskriminiert.
2009 führte der Bund daher für seine rund 480 000 Beamten eine Neuregelung ein. Die Besoldung knüpft nun an »Erfahrungsstufen« und die Dienstzeit an. Die Bundesländer folgten mit entsprechenden Regelungen.
Dennoch fühlten sich Tausende Beamte weiterhin wegen ihres Alters diskriminiert und zogen vor Gericht. Grund: Die von Bund und Ländern festgelegten Übergangsregelungen für alle Beamten legten fest, dass die Besoldung nach Erfahrungsstufen erst für die Zukunft gilt. Quasi als Basis dafür wirken die früheren Alterseinstufungen daher bis zum Ruhestand fort.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hatte am 19. Juni 2014 (Az. C-501/12 bis Az. C-506/12 und weitere) entschieden, dass dies nach EU-Recht zulässig ist. Das Unionsrecht schreibe auch nicht vor, den ehemals diskriminierten Beamten rückwirkend einen Ausgleichs-Sold zu zahlen, unterstrichen die Luxemburger Richter.
Dem folgte nun auch das Bundesverwaltungsgericht. Allerdings sprach es den Klägern aus Sachsen und Sachsen-Anhalt teilweise eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zu.
Da das AGG ab Mitte August 2006 in Kraft getreten war, hätten die Beamten bis zum Inkrafttreten einer diskriminierungsfreien gesetzlichen Besoldungsregelung Anspruch auf eine angemessene Entschädigung. Für jeden Monat stünden ihnen daher 100 Euro zu, so das Bundesverwaltungsgericht.
Sachsen-Anhalt etwa hat erst ab 1. April 2011 sein Besoldungssystem diskriminierungsfrei gestaltet. Von Mitte August 2006 bis Ende März 2011 könne daher für jeden Monat 100 Euro Entschädigung verlangt werden. Da Sachsen bereits zum 1. September 2006 rückwirkend die Besoldung seiner Staatsdiener geändert hatte, können die sächsischen Kläger nur eine Entschädigung für einen halben Monat beanspruchen.
Der 2. Senat verhandelte mehrere Klagen von Beamten aus Sachsen und Sachsen-Anhalt sowie von drei Soldaten. In dem Streitfall mit dem längsten Zeitraum stehen dem Kläger nun 5500 Euro zu. In einem anderen Fall sind es nur 50 Euro, einige Klagen wurden auch als unberechtigt abgewiesen. Die Soldaten gingen leer aus, weil sie ihre Forderungen gegenüber der Bundeswehr nicht fristgerecht eingereicht hatten. Grundsätzlich können nur Beamte eine Entschädigung einfordern, die auch gegen ihre Besoldung geklagt haben. Allein in Sachsen waren dies über 1000 Beamte.
Das Leipziger Urteil hat laut Gerichtssprecher grundsätzliche Bedeutung. Bei den deutschen Verwaltungsgerichten gebe es eine Vielzahl ähnlicher Fälle. Die Maßstäbe, die der Senat entwickelt habe, seien Vorbild auch für diese Entscheidungen.
Keine Angaben lagen darüber vor, wie viele der insgesamt 1,88 Millionen Beamten und Soldaten von der Entscheidung betroffen sein könnten. Ihre Ansprüche müssen sie dem Sprecher zufolge in jedem Fall selbst geltend machen.
Das Bundesinnenministerium geht davon aus, dass nach den vom Gericht aufgestellten Kriterien insgesamt keine Ansprüche gegen den Bund bestehen. epd/dpa/nd
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