Wagenknecht warnt Merkel vor neuem Kalten Krieg

Im Bundestag streiten die Fraktionen über den Haushalt und die Sanktionen gegen Russland

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.
Die sogenannte Generaldebatte zum Kanzleramtsetat ist der Höhepunkt der Bundestags-Haushaltswoche. Am Mittwoch diskutierten Koalition und Opposition heftig über die Ukraine-Politik.

Es ist unruhig im Plenarsaal des Bundestags. Während Sahra Wagenknecht die Regierungspolitik kritisiert, rufen Vertreter der Koalition immer wieder wütend dazwischen. In ihrem Rundumschlag geht die stellvertretende Linksfraktionschefin zunächst auf den Haushalt ein, über den die Parlamentarier am Freitag abstimmen werden. »Es wird nicht genügend investiert«, bemängelt Wagenknecht. Straßen und Brücken würden verrotten und Kindern aus ärmeren Gegenden Bildung vorenthalten. »Das sind okkulte Opferrituale vor ihrer neuen Göttin, der Schwarzen Null«, ruft Wagenknecht. Ihre Attacke richtet sich gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel, die auf der Regierungsbank neben dem Rednerpult sitzt. Die schwarz-rote Regierung will im kommenden Jahr keine neuen Schulden mehr machen. Zum Ärger der LINKEN ist nicht vorgesehen, Gelder umzuverteilen oder Steuern für Wohlhabende und Spitzenverdiener zu erhöhen.

Schwere Vorwürfe macht Wagenknecht der Großen Koalition auch in der Ukraine-Politik. Der Kanzlerin seien offenbar die Interessen der amerikanischen Regierung und Wirtschaft besonders wichtig. Denn die USA wollten in Osteuropa ihre Einflusssphäre erweitern. »Sie haben Deutschland in die Neuauflage eines Kalten Krieges mit Russland hineingetrieben«, moniert Wagenknecht. Aus den Reihen der Koalition ist daraufhin genervtes Stöhnen zu hören. Trotzdem fährt die LINKE-Politikerin fort: Durch die Sanktionen sei ein Wirtschaftskrieg angezettelt worden, der vor allem der deutschen und der europäischen Wirtschaft schade. »Sie warnen vor einem Flächenbrand, aber gehören zu denen, die mit brennendem Zündholz herumlaufen«, sagt Wagenknecht zu Merkel. Wichtig sei hingegen, diplomatisch vorzugehen.

Die Kanzlerin geht nicht direkt auf ihre Vorrednerin ein. Aber sie macht deutlich, dass sie sich weiter von Russland distanzieren und für engere Handelsbeziehungen mit den USA einsetzen will. Merkel räumt dem umstrittenen TTIP »absolute Priorität« ein. »Wenn es uns nicht gelingt, das transatlantische Freihandelsabkommen zügig zu verhandeln, werden wir nicht nur im internationalen Handel große Nachteile gegenüber anderen Regionen haben«, sagt die CDU-Chefin.

Um die Wirtschaftssanktionen gegen Russland zu begründen, versucht Merkel, die Moskauer Regierung als den Hauptschuldigen an dem Bürgerkrieg in der Ukraine darzustellen. Es gebe nichts, das die Annexion der Krim oder »die direkte oder indirekte Beteiligung Russlands an den Kämpfen in Donezk oder Lugansk« rechtfertige, so Merkel über den bewaffneten Konflikt im Osten der Ukraine. »Das Vorgehen Russlands stellt die europäische Friedensordnung in Frage und bricht internationales Recht«, fügt sie hinzu. Trotzdem will sie weiterhin auch Gespräche mit russischen Regierungsvertretern führen. In diesem Zusammenhang lobt die Kanzlerin ihren Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Damit will sie dem Eindruck entgegentreten, es gebe bei dem Thema in der Bundesregierung unterschiedliche Haltungen. Zuletzt hatte sich der SPD-Politiker etwas weniger schroff als Merkel gegenüber Russland geäußert. Allerdings trägt Steinmeier den Sanktionskurs mit. Auch Thomas Oppermann betont, dass in der Bundesregierung Einigkeit herrsche. Es existiere keine Nebenaußenpolitik, sagt der SPD-Fraktionschef.

Zuvor macht sein Grünen-Amtskollege Anton Hofreiter einen Vorschlag, wie man Russland weitaus mehr schaden kann als bisher. Nach einer Umstellung auf erneuerbare Energien sei die Bundesrepublik nicht mehr auf entsprechende russische Importe angewiesen. »Deutschland überweist immer noch über 30 Milliarden Euro für Öl, Gas und Kohle an Russland. Damit wird das System Putins stabilisiert«, konstatiert Hofreiter. Das müsse nicht so bleiben.

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