Gabriel will neuen TTIP-Beschluss von der SPD

Wirtschaftsminister sucht Rückendeckung für Kehrtwende bei umstrittenen Freihandelsabkommen / Investitionsschutz soll dann »deutlich besser und rechtsstaatlicher« geregelt werden

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Kraftprobe zwischen SPD-Chef Sigmar Gabriel und dem linken Flügel: Über das umstrittene Freihandelsabkommen der EU mit Kanada (CETA) wird wie vereinbart ein Parteikongress abstimmen. Das sicherte der Wirtschaftsminister am Wochenende im »Spiegel« nach seinem von Parteilinken heftig kritisierten klarem Ja zu Ceta zu. Damit entwickelt sich das geplante Abkommen mit umstrittenen Schutzklauseln für Konzerne zu einer Belastung der großen Koalition.

Zwar wird in der SPD mit Zustimmung gerechnet. Sollte der Unmut aber weiter wachsen und bei der Abstimmung womöglich erst Ende nächsten Jahres Gabriel unterliegen, müsste er sich auch als Minister der Regierung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) daran gebunden fühlen. Deutschland könnte dem Abkommen dann kaum zustimmen. Ein Vertrag der Europäischen Union (EU) mit Kanada ohne Deutschland wäre schwer denkbar. Und ähnlich wie Ceta ist auch das TTIP-Abkommen mit der USA geplant. Auch in der Union haben Abgeordneten Bedenken gegen diese Abkommen.

Zwar hatte die SPD schon im September vereinbart, nach Abschluss der Verhandlungen über Ceta und TTIP und vor einer Entscheidung des Bundestags die Beschlussgremien der Partei damit erneut zu befassen. Nach Entrüstung von Parteilinken über seine Rede am Donnerstag im Bundestag betonte Gabriel aber im »Spiegel« erneut: »Am Ende werde ich - wie ich es in der SPD zugesagt habe und wir es auch beschlossen haben - selbstverständlich den SPD-Parteitag beziehungsweise den Parteikonvent vor der Abstimmung um Zustimmung bitten.«

Auf einem kleinen Parteitag im September hatten die Sozialdemokraten vereinbart, dass der Investorenschutz mit Schiedsgerichten, vor denen Konzerne Schadenersatz von Staaten einklagen könnten, in dem Ceta-Abkommen nichts zu suchen haben soll. Gabriel hat aber die Sorge, dass ohne die Abkommen der EU mit Kanada (Ceta) und der EU mit den USA (TTIP) Europa von boomenden asiatischen Ländern abgehängt wird. Er mahnte: »Wir müssen begreifen, worum es hier eigentlich gerade geht. Die Welt verschiebt sich gerade.«

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Sascha Raabe sagte »Spiegel Online«: »Gabriels Attitüde ist total daneben. Zu sagen: Entschuldigung, aber Ceta ist jetzt endverhandelt - das sehe ich nicht ein.«

SPD-Vize Ralf Stegner sagte der Deutschen Presse-Agentur: »Manchmal reicht es, sich die Beschlusslage durchzulesen.« Es müsse das Primat der Politik gelten. »Am Ende muss es so sein, dass sich zum Beispiel kein Tabakkonzern gegen Entscheidungen des Deutschen Bundestags durchsetzen darf.« Bei Kritikern besteht die Sorge, dass ein Konzern vor einem Schiedsgericht Milliarden-Schadenersatz einklagen kann, wenn ihm eine Entscheidung des Gesetzgebers nicht passt, und dass der Steuerzahler es dann bezahlen muss. Die EU und Kanada hätten ähnlich gute Gerichtsbarkeiten. »Das ist ja nicht Nordkorea«, sagte Stegner.

Gabriel glaubt zwar, dass er bei Ceta in Gesprächen mit der EU- Kommission noch punktuelle Verbesserungen durchsetzen kann. Ganz werde man Investorenschutz und Schiedsgerichte aber nicht mehr herausbekommen. Ceta gilt als Blaupause für das geplante große Handelsabkommen TTIP zwischen Europa und den USA. Durch gemeinsame Standards und den Wegfall von Zöllen sollen im dann weltgrößten Wirtschaftsraum neue Jobs und mehr Wachstum entstehen. dpa/nd

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