Neuwahlen in Israel am 17. März
Nach Ministerentlassungen war Regierungskoalition unter Netanjahu auseinandergebrochen / Wahlumfragen sehen Gewinne im Lager der Rechten
Update 14.40 Uhr: Anträge verschiedener Oppositionsparteien, das erst im Januar 2013 gewählte Parlament, die Knesset, aufzulösen, fanden am Mittwoch jeweils klare Mehrheiten bei wenigen Enthaltungen. Sie wurden in Ausschussberatungen verwiesen, um einen einheitlichen Entwurf zu erarbeiten, der am kommenden Montag endgültig verabschiedet werden soll. Regulär würde die 19. Legislaturperiode erst in drei Jahren enden.
Drei Wahlumfragen lassen erwarten, dass die beiden in der Mitte angesiedelten Fraktionen zusammen nur noch 13 bis 16 Mandate erreichen würden, wenn aktuell ein Urnengang stattfinden würde. Die Erhebungen wurden von zwei TV-Sendern und vom Onlineportal Walla in Auftrag gegeben. Netanjahus rechtsgerichtete Likudpartei könnte stattdessen ihre Sitzzahl von heute 18 auf 22 ausbauen. Die säkularen Ultranationalisten der von Außenminister Avigdor Lieberman geführten Partei Unser Haus Israel käme auf zwölf statt heute 13 Mandate.
Großer Wahlsieger wäre demnach heute die nationalreligiöse Siedlerpartei Jüdisches Heim von Wirtschaftsminister Naftali Bennett. Sie könnte ihre Mandate von zwölf auf 17 steigern. Die beiden Parteien der ultraorthodoxen Juden, die als künftige Wunschpartner von Netanjahu gelten, kämen zusammen auf 15 bis 17 Mandate (heute 18).
Auf Oppositionsseite bleibt die Stärke der linken Merez (sechs Sitze) und der Vertreter der arabischen Minderheit (zusammen elf) in etwa gleich. Als neue Partei würde eine weitere zentristische Gruppierung unter Mosche Kachlon, einem populären früheren Sozialpolitiker der Likudpartei, aus dem Stand auf zehn bis zwölf Mandate kommen.
Nach dem Auseinanderbrechen der Regierungskoalition entscheidet die Knesset über ihre Selbstauflösung
Jerusalem. Nach dem Auseinanderbrechen der israelischen Regierungskoalition unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wählt Israel am 17. März 2015 ein neues Parlament. Darauf einigten sich die Fraktionschefs am Mittwoch mit dem Parlamentspräsidenten Juli Edelstein, wie der Rundfunk berichtete.
Die Mitte-Rechtsregierung des Ministerpräsidenten Netanjahu hielt nur knapp zwei Jahre, eine der kürzesten Amtszeiten in der israelischen Geschichte. Regulär hätte erst 2017 eine neue Knesset gewählt werden müssen.
Das Parlament in Jerusalem wollte am Mittwoch zu einer ersten Abstimmung über seine Auflösung zusammentreten. Netanjahu sagte, das Land brauche angesichts der vielen Herausforderungen eine erfahrene Führung. »Wir brauchen eine große, erfahrene Regierungspartei wie den Likud«, sagte er am Mittwoch.
Am Dienstag hatte er die bekanntesten Vertreter der politischen Mitte im Kabinett, Finanzminister Jair Lapid und Justizministerin Zipi Livni, entlassen. In der derzeitigen Situation und mit der aktuellen Regierung sei es unmöglich, Israel zu führen, hatte Netanjahu, der der rechten Likud-Partei angehört, erklärt. Lapid (Zukunftspartei) und Livni (Die Bewegung) hätten einen Putsch gegen ihn geplant. Immer wieder hätten sie seine Politik gegenüber dem Iran und den Bau von Wohnungen in (Ost-)Jerusalem kritisiert. »Ich werde keine Opposition mehr innerhalb der Regierung dulden«, sagte Netanjahu.
In einer Mitteilung von Lapids Partei hieß es, Netanjahus Entscheidung sei ein »Akt der Feigheit«. Netanjahu sei daran gescheitert, Israel zu regieren. Er führe das Land in unnötige Wahlen, die Israels Wirtschaft und Gesellschaft schaden würden.
Livni sagte dazu am Mittwoch, Netanjahu fürchte sich vor seinen eigenen Ministern und der Außenwelt. »Wir müssen ihn auswechseln«, forderte sie mit Blick auf die Neuwahlen in gut drei Monaten.
Ob es Netanjahu gelingt, nächstes Jahr zum vierten Mal Regierungschef zu werden, ist noch unklar. Seine Umfragewerte waren zuletzt stark gefallen.
Insgesamt bestand die siedlerfreundliche Mitte-Rechts-Koalition unter Führung von Netanjahus Likud aus fünf Parteien. Zwischen ihnen liegen tiefe politische und ideologische Gräben.
So sträubten sich Lapid und Livni gegen einen Gesetzentwurf, mit dem der jüdische Charakter des Staates Israel gestärkt werden sollte. Kritiker befürchteten, die 20 Prozent arabischen Israelis würden dann zu Bürgern zweiter Klasse.
Politiker vom extrem rechten und siedlerfreundlichen Rand der Regierung unternahmen ihrerseits alles, um Livnis Bemühungen um einen Friedensschluss mit den Palästinensern zu verhindern. dpa/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.