Überwacht auf der Autobahn

EU einigt sich auf Ortungsboxen für Neuwagen / Hoffnung auf weniger Verkehrstote

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach 15 Jahren Verhandlung soll 2018 das eCall-System für Neuwagen eingeführt werden. Damit soll der Notdienst schneller vor Ort sein können. Doch es gibt datenschutzrechtliche Bedenken.

Ab 2018 haben Bankräuber nichts mehr zu lachen. Die ohnehin vormoderne Form der unrechtmäßigen Geldbeschaffung soll in drei Jahren noch schwieriger werden, weil dann der Aufenthalt des Fluchtautos über eine sogenannte eCall-Box permanent verfolgt werden kann. Allerdings gilt das nicht nur für Bankräuber: Nach dem Willen von EU-Parlament und -Kommission soll ab März 2018 verpflichtend in alle Neuwagen ein entsprechendes Ortungssystem eingebaut werden.

Die offizielle Idee dahinter ist allerdings nicht die erleichterte Fahndung nach Verbrechern. Es geht darum, bei einem Unfall schneller vor Ort zu sein. Über 25 000 Verkehrstote gibt es jährlich auf Europas Straßen. Mit der Notrufbox will die EU die Zahlen erheblich senken: Sobald der Airbag ausgelöst wird, sendet die eCall-Box automatisch einen Notruf an die Notrufnummer 112.

Bereits seit 2003 basteln europäische Bürokraten an dem System. Am Montag einigten sich EU-Parlament, -Kommission und -Ministerrat auf einen Entwurf, am Donnerstag wurde er vom Verbraucherschutzausschuss des Parlaments abgesegnet. Im März 2015 soll das EU-Parlament als Ganzes über den Entwurf abstimmen. Festgelegt ist darin, dass die Ortungsbox tatsächlich nur bei einem Unfall und nur für den Notdienst notwendige Daten übermitteln wird - also etwa Standort, Fahrtrichtung, Fahrzeugtyp. Gleichzeitig soll eine Sprachverbindung aufgebaut werden, die auch manuell ausgelöst werden kann.

Doch wo Daten gesammelt werden, gibt es auch Begehrlichkeiten: Der Reparaturmarkt für Autos beläuft sich allein in Deutschland auf 32 Milliarden Euro. Mit Kunden- und Teiledienst sind es europaweit rund 170 Milliarden. Wer zuerst an der Unfallstelle ist, kann seine Dienste anbieten und das Geld einstreichen.

Deshalb forderte unter anderem der ADAC eine offene Schnittstelle in den eCall-Boxen, über die auch andere Anbieter - wie der Autoclub selbst - ihre Dienste anbieten können. »Hätten die Autohersteller alleinigen Zugang zu den Daten, könnten sie andere Dienstleister ausschließen und einzelne Märkte dauerhaft abschotten«, so ein Sprecher gegenüber »nd«. Wenn die Autohersteller nur ihre eigenen Werkstätten beauftragen, könnte das letztlich das Aus für den ADAC bedeuten.

Doch das wird so schnell nicht passieren - die Schnittstelle soll kommen. Der ADAC hält dies für einen Erfolg - auch für die Autofahrer, die dadurch eine größere »Wahlfreiheit« hätten, wen sie an ihr Auto ranlassen. Doch bedeutet die Schnittstelle vor allem, dass eine große Anzahl an Akteuren potenziell Zugang zu Daten erhält. Zwar fordert die EU, der Verbraucher müsse informiert werden, wer Zugang zu seinen Daten erhält und sein Einverständnis dazu geben. Doch will ein Kunde ein neues Auto kaufen, wird er ohne Zustimmung kaum eines bekommen. Zumal die Hersteller zusätzlich bereits jetzt in einigen Neuwagen eigene Boxen anbieten.

Das eCall-System erhielt im Oktober daher den österreichischen Big Brother Award - einen Schmähpreis für Überwachung und Kontrolle. In der Begründung heißt es: »In Zeiten der Elektronik wissen wir, dass eine kleine Softwareänderung ausreicht, um weitere Funktionen in einem Gerät freizuschalten oder den Funktionsumfang zu erweitern. Dann könnte die Polizei die Geräte gleich mit der Versandstelle für Anzeigen koppeln«. Weiter gedacht: Private Anbieter könnten eine Tankstellen- oder Parkplatzsuche integrieren. Und Versicherungen könnten die Daten auswerten und beispielsweise Rasern höhere Prämien abknöpfen.

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