Ein trauriger Tag im Vogtland
Bedauerlich, dass der VFC Plauen Insolvenz angemeldet hat. Noch bedauerlicher, dass so wenige Menschen wissen, was sie denen schuldig sind, die rund um die Uhr versuchen zu retten, was zu retten ist.
Die Kolumnen 94 bis 193 ließen sich mit einer Aufzählung all der Faktoren bestreiten, die den VFC dazu gebracht haben, vergangene Woche Insolvenz anzumelden. Da das hier aber die 93te ist, sei nur berichtet, dass Inkompetenz und etwas, das man außerhalb vom Fußball kriminelle Energie nennen würde, eine gewisse Rolle spielen.
Jedenfalls ist der Verein pleite und darunter leiden mal wieder die am meisten, die dafür nun wirklich gar nichts können: Die Spieler, die sich für kleines Geld bislang ordentlich in der Regionalliga Nordost geschlagen haben. Und die Fanszene, die in Plauen wirklich keinen beeindruckenden Mob ergibt, dafür aber eine sehr hohe Quote an Grundsympathen aufweist, was in gleichem Maße für Nicole und Stephanie vom Fanprojekt gilt. Wenn das alles mal kein Grund war, am spielfreien Sonntag ins Vogtland zu fahren!
Doch irgendwie hatte ich offenbar etwas falsch verstanden: In meiner Naivität hatte ich gedacht, dass zum mutmaßlich letzten Regionalliga-Pflichtspiel dann auch mal alle die Plauener kommen würden, die sich in den Monate zuvor frustrationshalber nicht hatten blicken lassen. Weil es diesmal wirklich auf jeden Zuschauer ankommt: Um ein paar Euro bei einem Verein zu lassen, der gerade jeden Euro braucht, damit man kommende Saison wenigstens in der Oberliga weitermachen kann. Um noch einmal ein Zeichen zu setzen, dass eine Stadt mit 66.000 Einwohnern einen Viertligisten als Bereicherung empfindet. Dass sie denen etwas schuldig ist, die sich seit Wochen die Nächte um die Ohren schlagen, um zu retten, was zu retten ist. Oder schlicht aus Traurigkeit, als Abschied-Nehmen...
Wie gesagt, ich hatte das offenbar falsch verstanden: Es kamen nämlich nur etwa 700 Plauener (weniger als bei den Spielen zuvor), 700 Gelb-Schwarze, die für die 800 fröhlichen Zwickauer im Block gegenüber wohl einen ziemlich kläglichen Eindruck hinterlassen haben müssen. Ein Signal war auch das, das Signal, dass ein verkaufsoffener Sonntag sehr vielen Menschen wichtiger ist als das reale Leben.
Niederschmetternd muss das wohl vor allem für die gewesen sein, die sich seit Wochen den Arsch aufreißen, um eine Suppe auszulöffeln, die ihnen andere eingebrockt haben: zum Beispiel das Team um die neue Präsidentin Dagmar Baumgärtel, all die ehrenamtlich arbeitenden Ordner, die Leute, die die Facebookseite neu gestaltet haben und die allerlei gute Ideen für die Zukunft haben. Die Plauener, die Geld in die Spendendosen stecken, mal 50 Cent, mal 500 Euro, den Fan, der für 85 Euro den Platz auf der Trainerbank ersteigert hat. Und für die Fans aus Chemnitz und Hof, die zusammen über 1000 Euro gesammelt haben, um einem Verein aus der Nachbarschaft zu helfen. Andererseits: wer Fan solcher fußballerischer Unglücksraben wie dem VFC Plauen, dem CFC oder Bayern Hof ist, ist Kummer gewohnt.
Vor allem aber weiß er, dass es Wichtigeres gibt als die Ladenöffnungszeiten bei H&M...
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